Walkrampf

steak kantine grüneDie Bundestagswahl dieses Jahr rückt näher und näher. Bedrohlich blicken die Spitzenkandidat_innen bereits allerorten von den Laternenpfählen. Die Stadt ist gepflastert mit schlechten Sprüchen, ähnlich dem Gästebuch prä- oder postpubertierender,geschmacksverirrter Zitatedrescher_innen. Nur mit weniger Glitzer. Schade eigentlich. So ein in der Morgensonne funkelndes FDP-Plakate, welches Radfahrer_innen blendet und die Diskostimmung der letzten Nacht aufleben lässt. Irgendwie hätte das doch was.

Deutschland-Weitblick-MerkelVielerorts werden dieser Tage die sinnentleerten bzw. nichtvorhandenen Aussagen auf den Wahlplakaten der großen Parteien kritisiert. Die Titanic entwarf anlässlich dieses Phänomens sogar ein wunderbares Spielzeug, mit dem sich flugs das ideale CDU-Plakat selber machen lässt: Der CDU-Plakat-Generator. Unbedingt rumspielen!
Allwährlicher Beliebtheit erfreuen sich ja auch die Parodien der NPD-Plakate. Ich gebe zu, oftmals sind hier Original und Fälschung nur schwer auseinander zu halten. Ein kleiner Indikator zur besseren Identifizierung: Was Ihnen da bei einem Plagiat im Halse stecken bleibt, ist das Lachen. Beim Original handelt es sich überwiegend eher um Ihren Mageninhalt.
npd plakate persiflage

Karin mag Rainer

Karin und Rainer sitzen auf'm Baum, Rainer zupft Karin zärtlich am Saum. Karin trägt Dirndl und füllt es auch aus. Rainer findet Karin ist ein Augenschmaus.

Schön ist auch jene Sitte, welche offenbar ohne Umwege von Marketingstrateg_innen außerhalb der Wahlbranche übernommen wurde. Schamlos werden hier die Gepflogenheiten großer Automobilkonzerne und ihrer Art zu werben übernommen. In sprechenden Plakaten werben Kandidaten von CDU und FDP schon vorab für die gewünschten Koalitionspartner (Das Bild fand sich übrigens im Fakeblog).
Nebenbei finden auch ungewollte, nonverbale Gespräche zwischen den jeweiligen öffentlichen Personen statt. Bei mir um die Ecke hängt beispielsweise ein strahlend lächelndes CDU-Männchen über einem unsicher dreinschauenden SPD-Kandidaten. So etwas möchte die von Wahlplakaten beeinflussbare Wählerschaft doch unbedingt sehen. In Scharen versammeln sie sich um jene Laternen und fragen die hinabblickenden Orakel, wie sie es mit der Eurokrise und insbesondere mit der finanziellen Zukunft des Laternenmastwählenden so halten. Dabei mischt sich unter die Mimik des Strahlemanns scheinbar eine gehörige Portion Selbstbewusstsein, welche vermeintliche Zukunftssicherheit nicht nur unterschwellig zu suggerieren scheint. Die Unsicherheit des Konkurrenten unterdes sinkt mitsamt seiner Mundwinkel auf die umstehenden Passant_innen hinab. Gelungen.

Batman in die Politik

Politik braucht endlich wieder den einen starken Mann!

Doch ernsthaft: Lässt sich in Zeiten des Internets und dem übermäßigen Fernsehkonsum überhaupt noch irgendwer von Wahlplakaten beeinflussen? Handelt es sich bei diesem überholten Medium nicht um eine Papier- & Holzverschwendung sondergleichen? Wieso machen die Grünen dann eigentlich bei diesem Frevel mit? Wenn schon des Atomausstiegs als grundsätzlichem Themas beraubt, so könnte gerade auf dieser Schiene doch wenigstens noch etwas Glaubwürdigkeit für die ursprünglichen Wurzeln gewahrt werden. Sollte sich das durchsetzen, hätte das ganze ja auch den schnuckeligen nebeneffekt, dass ganze Straßenzüge von solch unerträglichen Leinwänden mit NPD-Rotzereien oder AFD-Dümmlichkeiten befreit wären. Oder würden bei solchem Gebahren die kleinen Parteien den kürzeren ziehen und das desinteressierte Stimmvieh eh im stetig wiederkehrenden Rhythmus das Kreuz auch nur wieder dort setzen, wo es eben schon seit Jahren hingehört?

Wahlwerbung ohne Sinn und Widerrede

Würden bei ausbleibender Dekoration womöglich einige Menschen überhaupt nicht mitbekommen, dass “schon wieder” Wahlen sind? Doch à propos du AFD, ein kleines aber feines Blog hat dieser Tage dann noch mein amüsiertes Interesse auf sich gezogen: AFD Wähler stellen sich vor- sollte allerdings auch nicht unbedingt direkt im Anschluss an eine Mahlzeit oder gar während des Essens zu sich genommen werden – es sei denn ihr habt euren Bildschirm nicht mehr lieb…


2 Responses to 'Walkrampf'

  1. Ralph says:

    Wäre ich ein zynischer Misanthrop würde ich schreiben: Warum stören Dich die Wahlplakate? Es ist die einzige Gelegenheit, Politiker_innen straffrei an Laternenpfählen u. ä. aufzuhängen … Da ich aber nur ein freundlicher Niedersachse bin, der trotzdem nie von Berliner_innen besucht wird, halte ich es mit Loriot: “Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen.“ ;-)

    • DillEmma says:

      Das Loriot-Zitat ist in der Tat überaus trostspendend. Dennoch mutet mir manch Plakat einfach wie ein rotes Tuch an. Es lässt zum Stier mutieren. Insbesondere die flach”witzigen”, unerträglichen NPD-Dinger, welche wohlweislich stets so hoch gehangen werden (möglichst noch vor die Synagoge oder das jüdische Museum), dass ich es bereue, im Sportunterricht beim Stangenklettern nicht besser aufgepasst zu haben. Und “geräuschlos” finde ich sie auch nicht unbedingt, eher himmelschreiende Dummheit & Aggresion. Da greift das Unfall-Prinzip: Ich will es vielleicht sogar ausblenden, kann aber einfach nicht wegschauen. Nö, ich bleibe bei meiner Jammerlappenhaltung. :P

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