Kulinarische Lesereise

Projekt 52 BücherDie Jagdsaison wurde eröffnet. Nachdem in der ersten Woche ein geradezu verdächtig einlullendes Thema präsentiert wurde, erfahren wir nun bei schläfrigem aber vollem Bewusstsein: “Warum?” – Das ist der magische Zauber des Bücherprojekts – unberechenbar wie die See. Mal sanft säuselnd und gerade, wenn mensch es sich auf dem Sonnendeck gemütlich gemacht hat, wohlig am Strohhalm nuckelt, schlägt unerwartet die eiskalte Gischt über dir zusammen. Tja, und was eignet sich wohl besser als nasskaltes Weckinstrument als ein Krötenthema? Richtig: nix!

Stell dir vor, du könntest dein Frühstück, dein Mittag und dein Abendessen auf verschiedenen Kontinenten einnehmen, wohin würdest du reisen, was würdest du essen und welche Bücher würdest du auf die Reise mitnehmen?

Zugegeben: Das ist wunderbar und wahrhaft verträumt. Schließlich täte ich zur Zeit nichts lieber, als schleunigst dem nasskalten Wechselwetter zu entkommen. Also blätterte ich im Reiseführer (= die Beiträge der anderen Teilnehmer_innen), welche Orte denn so empfehlenswert sind und wo es mir womöglich zu überfüllt wäre. Dann bastelte ich mir noch schnell eine Apparatur zum Beamen, schließlich habe ich nur einen Tag Zeit für meine Reise. Zudem erfand ich auf die Schnelle auch noch so einen Zeitdehner (Zutaten: Kaugummi, Honig, Sekundenkleber und eine feuerfeste Leiter zur Sonne) denn wie gesagt: ich habe ja sonst nur einen Tag Zeit…

Frühstück

Peter Mayle ProvenceFrankreich empfinde ich als einen guten Ausgangspunkt zum Reisen. Frühstücken wie Gott in Frankreich. Keine Croissants, sondern Baguette, Weintrauben & Käse – das übliche halt. Da bin ich anspruchslos und es liegen ja noch zwei Mahlzeiten vor mir. Irgendwo in der Provence inmitten eines alten Städtchens oder Dörfleins. Alten Männern mit Baskenmützen beim Boule spielen & diskutieren unter alten Platanen zuschauen. Und dabei stilecht in Peter Mayles “Mein Jahr in der Provence” schmökern. Am besten direkt in Ménerbes, wo dieser wunderbare Reisebericht über die Auswanderung von Peter Mayle zu den störrisch liebenswerten Provence-Bewohner_innen spielt. Herzlich lachen über die wunderbar beobachteten Anekdoten zum eigenbrötlerischen Charme, der für mich seit jeher Symbol französischer Kultur ist. Danach noch über ein Lavendelfeld toben. Tief einatmen. Schweren Herzens verabschiede ich mich bereits. Doch ich komme wieder. Irgendwann für immer, wie der Peter, der Mayle.

Mittagessen

Kriminalroman NesboZur Mittagszeit kehre ich zurück zu einer alten Liebe. Mütterchen Russland & Umgebung. Da ich auf Reisen prinzipiell eher warme Gebiete vorziehe, kalte Gefilde nichtsdestotrotz unheimlich spannend finde, aber eben wenig verlockend zum längeren, erholsamen Ausspannen, nutze ich diese Gelegenheit für einen kurzen Trip nach Sibirien. Genauer nach Transnistrien. Vor nicht allzu langer Zeit entdeckte ich ein aussterbendes Völkchen für mich. Ich möchte zu einer fast schon untergehende Kultur des Verbrechens reisen. Nicolai Lilins Roman “Sibirische Erziehung” weckte in mir reges Interesse an der “Gemeinschaft der Kriminellen” Sibiriens, den Urki. Meine derzeitige Lektüre “Die Larve” von Jo Nesbø, vermutlich tatsächlich der erste echte Kriminalroman meines Lebens, welcher mir zunächst eher unfreiwillig wie durch einen dussligen Zufall vor die LeseFlinte kam, macht ebenfalls Ausflüge in die Kultur der Urka. Also streng genommen sind die im Roman aus dem Untergrund agierenden Urki nach Norwegen ausgeflogen und mehr eine Randerscheinung des Buches. Doch dieses Wiedersehen freute mich sehr (sicherlich im Gegensatz zu ihren literarischen Widersachern). Was gäbe es da schöneres als das rasante Finale stilecht in ihrer ursprünglichen Heimat zu lesen?
Das schöne an kühleren Umgebungen ist ja, dass warme Mahlzeiten viel besser munden als in sonnengefluteten Landstrichen. Ist Sibirien wirklich kalt oder sitze ich da lediglich einem Vorurteil auf? Also mal schaun, was es so gibt, ob ich auch ohne ruhmreiche Tätowierungen Vertrauen & Gastfreundschaft abstauben kann. Über das genaue Mittagessen mache ich mir keinerlei Gedanken. Ich steh prinzipiell auf die russische (nicht dasselbe Land, aber kulinarisch hoffentlich ein ähnlicher Landstrich) Küche. Auch wenn ich vor Urzeiten an meinem ersten Abend in meiner russischen Gastfamilie gleich bei jedem Gang mit einer anderen Ausrede aufwarten musste, warum ich dies & das nun nicht essen kann oder darf. Dies lag einzig daran, dass zur Eingewöhnung & Begrüßung nur “Besonderes” aufgetischt wurde. Peinlich, peinlich so ein Mäkel zu sein. Aber Pelmeni, Kascha, Piroschki damit käme ich gut zurecht.

Abendbrot

Zum Abendbrot möchte ich dann doch einmal die Landmasse Eurasiens verlassen. Irgendetwas klischeebehaftetes mit viel Sonne, viel Strand & Meer. Eine ausgefallene Tierwelt und gigantische Abendröte wäre auch prima. Schwere Entscheidung. Sie plumpst auf La Gomera. Eine der schönsten kanarischen Inseln, wie ich finde. Hier gibt es ein außergewöhnliches Magazin, welches es mir sehr angetan hat: Den Valle-Boten. Herausgegeben nach dem “Lust, Bock & Laune”-Prinzip dort herumgammelnder deutscher Aussteiger. Abgedreht witzige Schreibweise und somit die perfekte abendliche Lektüre voller Kurzweil & Selbstironie. Essbares wird ja wohl irgendwo aufzutreiben sein – vielleicht einige Passionsfrüchte, welche an den hiesigen Gartenzäunen rankeln? Oder eben eine Leihgabe von einer der unzähligen Bananenplantagen.

Nach meiner Rückkehr mische ich dann noch mein Ghetto mit dem Duden auf bzw. bahne mir damit ganz pazifistisch den Weg zur Haustür. Dann ab ins Bett und von besseren Zeiten in meiner neuen Wohngegend geträumt.

19 Responses to 'Kulinarische Lesereise'

  1. Könntest Du die Bauanleitung für den Zeitdehner bitte ebenso online stellen, wie die für den Beamautomaten? Und wenn dann noch eine Möglichkeit gefunden werden könnte, unsichtbar … jedenfalls eine sehr schöne Reise und Essen wird tatsächlich überschätzt :mrgreen: Geistige Nahrung lässt uns wirklich wachsen. Vermutlich nicht beim Valle-Boten, aber Die Larve könnte eventuell auch meinen, ebenfalls sehr, sehr beschränken Krimihorizont, erweitern …

    • DillEmma says:

      Ähm ja, also öh – kiek ma da! ….oh schon wieder weg, also wo war’n wa? “Valle-Botte” jenau! Unterschätzte Literatur – assoziatives Lesen und wunderschöne Wortschöpfungen finden sich da (zudem klingt das schon ein wenig nach Traumjob) nicht zu verachten.
      Die Larve, also da muss ich zugeben – ich hatte Vorbehalte vor und auch während des Lesens, aber es ist tatsächlich spannend und selbst die Schwachstellen, welche ich dem Autor beim Konstruieren der perfekten, aber realistisch wirkenden Verbrecher-Organisations so unterstellen wollte, also gut, die nehm ich zurück. Zum brennenden Krimifan werd ich aufgrund dessen nun nicht mutieren, aber lesenswert, fesselnd und gut recherchiert isses in jedem Fall :)

  2. Fellmonsterchen says:

    Nesbø, da fliegt irgendwo noch ein ungelesenes Exemplar auf dem E-Reader, aber ob das die Larve ist, weiß ich gar nicht. Ich könnte natürlich mal nachgucken gehen, wenn ich wüsste, wo ich den E-Reader… aber egal, bevor hier noch der Eindruck entsteht, ich sei chaotisch, schreibe ich hier schnell hin, dass ich alle Orte sehr interessant finde. Ich käme glatt mit. :-)

    • DillEmma says:

      Da seist du ja herzlich eingeladen :) …bei deinem Glück werden zwar beim beamen sicherlich einige Moleküle verwuselt, aber wat nimmt mensch für nette Begleitung nich allet in Kauf …und wer weiß schon wofür n Auge aufm Rücken jut sein kann, oder n kleiner Finger im Nacken…

      • Fellmonsterchen says:

        Nein, nein, da pass ich ganz doll auf, dass nix durcheinander kommt. *treuherzig guck*
        (*heimlich plan, meinen linken Ringfinger gegen Deinen auszutauschen*)

        • DillEmma says:

          nanana ….also sowas lässt sich doch aber anders regeln, ich hätte einen linken Zeigezeh, an dem hänge ich nich ganz so arg …obwohl ich hörte, dein Gips-Verband-Dingens kommt nu ab und dann jibbet Physiotherapie? Is das dann ne Gruppe? “So liebe Tollpatsche und nun strecken wir den linken Ringfinger, und beugen und strecken und eins und zwei – Ja, gut und ausschütteln, entspannen und kreisen lassen” In der zweiten Stunde ist dann gekonntes Schlittern als Hinfall-Prophylaxe aufm Plan. Kann man da mitmachen?

          • Fellmonsterchen says:

            Zeigezeh anstatt eines Ringfingers? Das sähe zumindest interessant aus. In dem ist auch keine Schraube drin?
            Die Schiene ist seit heute ab, morgen habe ich das erste Mal Physio, und bestimmt wird es alles so sein, wie Du sagst, und wenn Du heute noch schnell mit mir tauschst, kannst Du da für mich hingehen, na, ist das nichts?
            Aber um die OP, um die Schraube entfernen zu lassen, komme ich wohl doch nicht rum. :-( Die fängt wohl sonst an, da drin rumzuwandern, oder wie der Arzt meinte: “Sie sucht sich ihren Weg.” Das hört sich nicht schön an… Nicht, dass da irgendwann eine halbe Schraube aus dem Finger rausguckt…

  3. Nebenbei: Was sagte das ¨wandelnde Filmlexikon¨zum Frühstück bei Tiffany? *neugierig ist*

    • DillEmma says:

      Das Filmlexikon hat grad ganz höllische Zahnschmerzen und darauf schieb ich jetzt mal seine mangelnde Begeisterungsfähigkeit angesichts Filmtiteln mit Nahrungsmittelaufnahme im Titel – unter den persönlichenLieblingsfilemn scheint der aber nicht zu rangieren, was ich dem Genuschel entnehmen konnte, allerdings gehen da auch manchesmal unsere Meinungen stark auseinander, daher kein Grund für mich Besorgnis oder Argwohn aufkommen zu lassen :P

      • Gute Besserung an das Filmlexikon! Der arme Mann ist ja gestraft: Ein Abend mit Dir UND Zahnschmerzen – nicht, dass eins das Andere bedingt :-P

        • DillEmma says:

          Also normalerweise übe ich ja eine unheimlich beruhigende, ja fast schon opiatähnliche Wirkung auf alle möglichen Menschen aus, weiß gar nicht, wieso hier unterschwellig so reziproke Thesen aufgestellt werden :mrgreen:

        • Zahnschmerzen UND ein Abend mit dir = selbstreferenzierend!

          Das ist doch mindestens so logisch wie Sophia Thomalla! (kannst bei mir lesen, warum ;-) )

          • DillEmma says:

            also a.) wolltest du mein reziprok austauschen und an der Stelle passt dit nich, also weder grammatisch noch inhaltlich :mrgreen:
            und b.) achso war dit mit der Logik, na dann oder wusstest du gar, dass ick
            erst c.) die Sophia wikipediern musste und dann sexistisch-reduzierend meine Planquadrate der Promiwelt erweitern musste (“ach die Tochter von der hübschärschigen Schmolllippenkommissarin”) ,,,aber solch Gedankenkonstrukte sind ja laut dubiosen J-Lo-Po-Verehrern legitim (finds immer dufte, wenn Männer die Regeln für Diskriminierung uffstellen :P Weiße sollten ooch bestimmen, wann Schwarze sich beleidigt fühlen dürfen *zufauldireinTeufelssmiliezuklauenalsobittedazudenken*)

  4. DillEmma says:

    Ich überleg grad, wofür eine Schraube am Finger so vorteilhaft wäre, mir fällt tatsächlich nichts ein. Prinzipiell befürworte ich ja so ein Cyborg-Mentalität, aber dann eher mit Schraubenziehern -ein eingebautes Schweizer Allzweckmesser in den Fingerspitzen hätte durchaus praktische Verlockungen. Aber ein Ringfinger statt Zeigezeh mit Schraube wär schon gut …damit sie auch morgen noch effektiv zutreten können. Ich wünsch dir alles Gute für die OP – wär es nicht sinnvoller danach eine Physio zu machen? Oder geht die dann wieder von vorne los? Dann ist doch auch wieder alles irgendwie gestört…

    • Fellmonsterchen says:

      Kann sein, ich weiß nicht… Angeblich ist das ja so harmlos, nur ein kleiner Schnitt und Schraube raus, aber ich glaube das irgendwie nicht, deswegen sträube ich mich ja so.
      Jedenfalls passt mir momentan eine OP nicht in den Kram, wir haben Projekte und Workshops ohne Ende in der Anstalt, davon leider ein Projekt, das zum großen Teil meins ist. :-( Und SAP-Hotpackages und und und… Die drehen alle durch, alle, außer ich natürlich…

      • DillEmma says:

        Einem “kleinen” Schnitt am Finger stände ich auch überaus skeptisch gegenüber, so groß ist das Schneideareal da ja nun auch nicht und dann sind die Dinger auch ständig in Bewegung und heilen daher immer so doof.
        Jihaa Projekte und Workshops – es gibt doch diese Geräte die Sprache in Text umwandeln können (also nicht Sekretär_innen irgendsowas technisches), sowas wäre doch überaus praktikabel in solchen Fällen…

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  1. [...] erster echter Kriminalroman (wie bereits kurz erwähnt). Bis auf damals die Kommissar Kugelblitz Bücher …kennt die (noch) wer? Die waren ja ganz [...]

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