Nachdem mein Umzug der Artikel zum 52 Bücherprojekt nun endlich abgeschlossen ist, möchte ich mich mal wieder an die Aufholjagd machen. Es stehen lediglich nur noch drei Themen aus und das vordergründig* ernsthafteste unter denen schnappen wir uns heute:
Als Schubladenfetischist wollte ich natürlich sichergehen, dass das von mir auserwählte Werk auch tatsächlich in diese Definition gepresst werden kann. Wie das beim Kategorisieren aber gern mal so vorkommt, werden Grenzen je nach theoretischem Ansatz unterschiedlich gezogen. So geht manch Theorie davon aus, dass das Genre der Nachkriegsgeschichte, welches sich in unserem Sprachraum generell auf die Zeit nach dem 2.Weltkrieg bezieht, mit der Auflösung der Gruppe 47 endet. Diese Zusammenkunft von deutschsprachigen Autoren widmete sich intensiv der Aufarbeitung jener Deutschen Geschichte und dem Wiederbeleben der Deutschen Kultur wie Literatur. Die Schriftstellertreffen enden jedoch bereits im Jahre 1967. Die 60er Jahre jedoch sind geprägt vom Lautwerden einer Generation, welche das Schweigen der Eltern, auf Opfer wie auf Täterseite endlich brechen möchte, versucht Standpunkte zu beziehen, sich den Greueltaten sowie den Leiden ihrer Vorgängergeneration zu stellen, Distanz zu schaffen oder doch zumindest zu verstehen.
Einschneidende Vorgänge in der Gechichte lassen sich nicht einfach mit einem Systemwechsel abstreifen. Geschichte wird von Menschen gemacht und sie prägt wiederum die Seelen derselben in jener Zeit als auch darüber hinaus. Der zweite Weltkrieg, Faschismus sowie die Shoah als kollektiv traumatisches Erbe entzweite und vereinte insbesondere jene zwei Menschengruppen, die maßgeblich Teil davon wurden oder sich dazu machten. Das Erlebte jener Zeit ist jedoch nicht einfach mit der Beendigung des Krieges oder veränderten Machtverhältnissen passé. Solche Erlebnisse können nicht spurlos an den Beteiligten vorbeigehen. Die Überlebenden sind gezwungen ihre Erinnerungen mitzunehmen. Sie werden zum Teil ihrer Persönlichkeit, welche im Verschweigen wie im Reden ihre nachfolgende Generation prägt. Scham oder Wut ehemaliger Täter, die Überlebensschuld der Opfer, jegliche Nachwehen fließen in die Erziehung der Hoffnungsträger. Sie ist das Erbe der Nachkriegskinder und auch deren Kindeskinder.
Jenem schwer greifbaren und daher hier so umschwafelten Erbe widmet sich Doron Rabinovic in seinem Roman
“Suche nach M – Roman in zwölf Episoden”
Jenes mancherorts schon ins Surreale tendierende Werk beschäftigt sich mit dieser Last des Überlebens und ihren Auswirkungen auf die nachfolgende(n) Generation(en). In den Elternhäusern der zwei Protagonisten nimmt das Schweigen der Eltern über die erlebten Grausamkeiten & die Ausrottung der eigenen Familien einen immensen Stellenwert ein. Obwohl kaum bis gar nicht konkret über die Vergangenheit gesprochen wird, graviert sich das Erlebte der Eltern in den Charakter & die Zukunft ihrer Kinder. Es wird an einer Stelle des Romans konkret als jene unsichtbare Tätowierung benannt, welche die KZ-Insassen noch sichtbar auf der Haut tragen. Ihre Nachkommen hingegen auf der Seele.
Dani & Arieh bauen entgegen der Intention ihrer Eltern eine tiefe Beziehung zu dem Thema Schuld auf. Die Kinder, als Symbol der Hoffnung und des Überlebens, welche ferngehalten werden sollten von jener belastenden Vergangenheit, verstricken sich auf scheinbar entgegengesetzte Art & Weise mit den Lasten ihrer Vorfahren. Das Schweigen lässt sie feinste Antennen für das Unterbewusste & Unterschwellige in ihrer Umgebung entwickeln – Gaben der Intuition, welche einem 6. Sinn gleichkommen. Dani nimmt pathologisch jegliche Schuld auf sich, geht ganz in den zerfressenden Zweifeln der eigentlichen Täter auf, wird gemartert von allem unterschwellig Geleugneten. In diesem Berg aus Schuld verliert sich nach und nach seine eigene Persönlichkeit und selbst die körperliche Präsenz vollkommen, löst sich gänzlich auf, bis er nur noch ein personifiziertes Bündel aus Schuld ist. Die Außenwahrnehmung jenes neu entstandenen “Individuums” oder vielmehr kollektiven Gedächtnisses(?) hängt von der persönlichen Psyche, einer Selbstwahrnehmung zu den eigenen Vergehen ab. So fürchten, hassen oder lieben gar alle dieses Schreckgespenst der wandelnden Schuldzuweisung oder das Monstrum aus tatsächlichen Vergehen.
Arieh hingegen entwickelt die Gabe mit den Schuldigen zu verschmelzen, sich förmlich in diese zu verwandeln und sie so aufzuspüren. Beide Schicksale werden abstrus ineinander verwoben, ebenso wie eine Vielzahl von Randfiguren. Die 12 Episoden sind streckenweise derart geschickt gestrickt, entbehren nie einem gewissen Element der Verwirrung sowie einem formvollendeten Reichtum an Interpretationsebenen & Auflösung.
Der bereits im Titel gesetzte Bezug zu dem deutschen Kriminalfilm aus den 30er Jahren “M – Eine Stadt sucht einen Mörder” setzt sich in den leichtfüßig gestalteten Erzählungen fort und zeichnet seine ganz eigene Deutung des Filmwerkes sowie der darin thematisierten Hysterie. Die Suche nach dem oder den Schuldigen, das damit verbundene Ablenken von der eigenen Schuld vor sich wie vor anderen, die Angst vor Entlarvung & Wirklichkeit – all diese Themen greift Rabinovic in der “Suche nach M” auf und komponiert es zu einem völlig neuen und fantastischen Schaubild der menschlichen Psyche, Ängste & Verhaltensweisen.
*natürlich sind jegliche Themen des Fellmonsters hochgradig seriös. Diese Gerüchte um generelle Beklopptheit der Felligkeit sind ja lediglich zur Verharmlosung gestreut, um die Krötenarmee und andere Mitstreiter auf dem Weg zur Weltherrschaft in Sicherheit zu wiegen. (Ich zweifle daran dieses eine Wort in diesem Satz unter einer solchen Thematik stehenzulassen – es bereitet mir Bauchweh. Entbehren mag ich es dennoch nicht…)
Endlich jemand, der meinen seriösen Charakter erkennt.
Dass Dir das Wort “Weltherrschaft” bei diesem Thema Bauchschmerzen bereitet, kann ich absolut verstehen.
Mal sehen, ob der Server meinen Kommentar heute mag. Bei den letzten Versuchen mochte er mich wieder nicht…
Wie könnte man solchen Charakter verkennen, er trieft förmlich aus allen Poren. Wer die wahre Bedeutung von Klokunst zu erkennen weiß….also da muss ja einfach ein großer Geist hinterstecken :p