Odyssee zum sportlichen Standpunkt

Als Berliner ist die Sache mit dem Fußball vertrackt. “Wir” (also die Berliner mit denen ich mich so umgebe) haben irgendwie keine solch innige Beziehung zu den lokalen Vereinen. Bei Fahrten durch die Peripherie Hamburgs und das gesamte Schleswig-Hollsteinische Umland hingegen, bietet sich einem ein komplett anderes Bild, alles scheint zugepflastert mit Rauten und ich wundere mich des Öfteren, dass nicht auch die Gehwege Blau-Weiß-Schwarz gezimmert sind. Ich hingegen kannte seit dem Kindergarten schon nie einen Hertha oder gar Union Fan.

FC Werder Paul SVMeine Grundschullehrerin war in Jürgen Klinsmann verknallt. Ihre komplette Klasse war wiederum in sie verschossen, also waren wir alle Bayern-Fans. Ja, dieses Outing kommt mir heute wahrlich schwer über die Tastatur. Wir waren jung, dumm & verdorben. Doch mit wachsendem Bildungsgrad wurde auch die Bajuwaromanie geheilt. Zumindest bei den meisten.

Irgendwann fand ich mich dann in der Bremen-Ecke wieder. Das waren auf dem Schulhof die Underdogs zwischen den dominierenden Dortmund und Bayern-Lagern. Dementsprechend wohl fühlte ich mich dort also. Als es mir dann irgendwann nicht mehr so primär um den Fußball an sich, sondern eher um das Drumherum, die politische Botschaft damit und die sympathisch ausbleibende Verbissenheit ging, entdeckte ich St. Pauli für mich. Dieser Fankurven-Umzug war ein leichtes, ein fließender Übergang quasi. Bremen & St.Pauli passen ja wunderbar zusammen. Beide finden den HSV doof.

Blöd nur, wenn sich dann irgendwann die große Liebe als “aus dem andern Lager” entpuppt. Frotzeln in Beziehungen ist ja an und für sich was unheimlich schönes. Als Pauli-Fan kratzten mich sportliche Niederlagen (zumindest gegen die meisten Vereine) nicht im geringsten. Den erfolgsverwöhnten HSV-Fan (zumindest den meinen) offenbar schon. So begann ich nach und nach bei den in der Anfangszeit stets zunehmenden Niederlagen des eigentlich anrüchigen Vereins regelrecht mitzuleiden, statt in herzhaft schallendes Gelächter auszubrechen.

Den Fussball an sich hatte ich damals eigentlich seit einigen Jahren bereits aus meinem Leben verbannt. Zuviel Nährboden für sinnentleerten Patriotismus & Nationalismus. Eine unschöne Begegnung zur WM 2006 in Deutschland verhagelte mir vorerst endgültig den ungetrübten Fußballspaß. Als damals einige Fanatiker in ihrem nationalistischen Siegestaumel beschlossen, mal eben die Fahnen von ihren Stöcken zu ziehen und mich mitsamt einigen anderen ebenfalls nicht ganz so offensichtlich vor Nationalstolz triefende Menschen mittels den nun blanken Stöcken durch die Straßen zu jagen. Das Phänomen Fussball war für mich ab diesem Punkt einfach zu nationalistisch besetzt. Die vielen anderen tatsächlich einfach nur fröhlichen Fans konnte ich unter den alljährlich besonders laut wie unsympathisch grölendem Faschopack bestens ausblenden. So freute ich mich über jede Deutsche Niederlage und betrachtete diese aus dem anderen extremistischen Lager, aber sicherlich fast durch die gleichen Augen wie meine politischen Opponenten förmlich als verlorene Schlachten eines sportlichen Ausweichkrieges.
Erst Schwippschwagers Stiefzwilling konnte mit seinem emotionalen Feuer für die so verachtete Deutsche Nationalmannschaft und auch für die Nordleuchten jene ursprüngliche, ungetrübte Freude am Fußball wieder wecken. Da war so wenig Politik und auch so viel offene Begeisterung für viele andere Mannschaften aus anderen Städten, Dörfern & Ländern. Jene erstaunliche Offenheit seitens Schwippschwagers Stiefzwilling war genau das, was mir sonst in diesem ganzen kriegerisch verbissenen Wettkampfdenken so gefehlt hatte.

Leise still und unbemerkt entflammte nicht nur die einstige Liebe zu diesem Sport wieder, es schlich sich obendrein auch noch eine wahre Begeisterung für den doofen Hamburger Sportverein mit ins Herz. Das verstaubte Image des Bundesliga-Dinos war so herzerfrischend unfancy im Gegensatz zum ehemals so charmant heruntergekommenen 1. FC St.Pauli. Hier mehrte sich ein Fantypus, der quasi nach Stadiontürstehern schrie und damit meine ich nicht sogenannte Chaoten, Don Krawallos oder welche Begriffe auch immer die Schlagzeilen über Initiatoren von mehr oder weniger berechtigten Ausschreitungen so prägen. Vielmehr meine ich ein Publikum á la Elton (der Hilfsdepp vom ehemaligen ViVa-Wutzemann, heute besser als Raabelzahntiger bekannt), der sich irgendwann mal öffentlich zu seiner Leidenschaft für St. Pauli bekannte. Vereine, die sich von solchen Fans nicht umgehend auf extra einberufenen Pressekonferenzen distanzieren, deren Schicksal ist ja förmlich schon besiegelt. Sowas kommt dabei nämlich raus:

Trotz aller Schmäh schreit ein kleiner Teil in mir ja dennoch: “Oh ähm jih, calm down and reg you not so auf! St. Pauli is so amazing forever and rocks voll awesome. Tell this Tüpies ‘FUCK YOU’ and make dein own Ding – pitch some projects and go your way! Or do new things – go Hoffenheim and fly da wieder raus – hachz mei brain is too busy to entscheid da something for the Herz”

16 Responses to 'Odyssee zum sportlichen Standpunkt'

  1. Blinkfeuer says:

    DA! Mit HSV + Pauli, alles dabei in schlappen 1dreißig:
    https://soundcloud.com/user6229345/hsv-1-nana

    • DillEmma says:

      Das war doch mal ein Ohrschmankerl ….obwohl mich die darauffolgenden Dschungelvögel noch um einiges höher der Hockerfläche entrissen :D

  2. Ralph says:

    Mmmmh, ich überlege gerade, wie der Hintern aussehen müsste, damit ich Bayern-Fan werden könnte … J.Lo wäre natürlich EINE Möglichkeit :mrgreen: Aber ansonsten leide ich seit vielen, vielen, vielen (aber ich bin nicht alt) Jahren mit 96; dass reicht eigentlich ;-)

    • DillEmma says:

      Vor einer Woche schleppte uns mein Brotgönner zur Weihnachtsfeier im Madame Tussauds. Da stand diese besagte J-Lo – von mir nur am Hintern identifiziert, den sie tatsächlich auch extra weich polsterten zum angrabbeln. Habe beim sittenwidrigen Grabschen deiner gedacht, aber ehrlich gesagt, Begeisterung fühlt sich anders an :p
      Ähm …ach ja, bayrische Ärsche …irgendwas wollte ich mit Geisteshaltung und Moral nu einstreuen, aber nu bin ich grad ganz weich und versöhnlich gestimmt

  3. Fellmonsterchen says:

    Übrigens: Der HSV hat total supergute Fans, z. B. Dittsche.
    Während Bremen angeblich Sarah Connor, Bärbel Schäfer und Hartmut Mehdorn zu seinen Anhängern zählt (zählen muss). Zumindest, falls diese Quelle zuverlässig ist, was ich bezweifele, weil der Mehdorn auch bei Hannover genannt wird, aber wäre andererseits ja möglich, dass er zwei Vereine mag. Hat ja auch mehrere Firmen runtergewirtschaftet.
    http://stadioncheck.de/prominente-werder-fans-bremen/
    Und Delay? Mh, der “singt” so wie Werder oft spielt. Dann man zu…
    Nimm einen von den HSV, da biste immer richtig, frag auch Mephi-Ralph.
    Rainer Werner Fassbinder war Bayern-Fan? Interessant…

  4. DillEmma says:

    Bremen hat auch Silbermond, jedenfalls wurde mir kürzlich auf verworrenen Wegen ein Song für Werder von denen zugespielt. Macht nichts besonders dolle find ich die nun nicht – der einzige bekannte Bremen-Fan, der es mir echt angetan hat is der Zeigler, den mag ich, aber der hat glaube auch Gladbach hoch im Kurs, das gleicht einiges aus :D
    Aber Dittsche is nun wirklich kaum zu toppen, ich wüsste gerade jedenfalls nich wie

  5. Blinkfeuer says:

    Der Dittsche hatte in der vorletzten Sendung die Grenzen séines Formats erleben müssen. Und als Dittsche kam er da auch nicht mehr raus. Blöd, wenn man für die aufgestellten Automatenkameras auch noch groß als “Regisseur” aufwarten möchte, da stimmt die Gage ja auch. Verantwortung stimmte aber nicht. Aber den HalbfaschoOppa: “Es gibt sowieso zu viele Griechen”…. aus der Nummer kommt er nicht mehr raus. Großdeutsches Geplärre. Der verantwortliche PIELsender WDR verweigert auch eine Stellungnahme. Lediglich in “Monitor” erwähnt man, dass die Beraterrepublik D Nettogewinne aus GR- Schulden zieht. Und einen Teil als Almosen spendet, ohne die Kriegsschuld je beglichen zu haben. Fazit: Dittsche, hast dich übernommen. Mach den Schmidt, verkrümel dich bei sky.

    • DillEmma says:

      Schade, ich hab nu echt gesucht und gesucht, aber diese Stelle des Anstoßes nicht gefunden. Die WDR Mediathek, lässt aber auch zu wünschen übrig… Vom Format her find ich es eigentlich passend, trotz einiger bekloppter Bauernschläue wird ja der dumpfdeutsche Zeitgeist aufgeschnappt und parodiert – ha! Doch noch gefunden (bei Einslive) leider auch nur Ausschnitte, aber wenn ich das richtig einsortiere, sind das doch die gängigen Ressentiments, die da neben Sätzen wie “Schumi – halb Mensch halb Auto” stehen, was doch den Wahrheitsgehalt der kursierenden Griechen-Mythen dahin wirft, wo sie hingehören. Hoffe ich jedenfalls ….obwohl in Kneipen wird ja auch nur auszugsweise den sonst größten Dummschwätzern ab und an beigepflichtet…

      • Fellmonsterchen says:

        Wenn ich das richtig sehe, ist doch dieses “großdeutsche Geplärre” im Rahmen einer Dittsche-Sendung gefallen, diente also dazu, dumpfe Gedankengänge des ein oder anderen Deutschen aufzuzeigen. Das hat somit überhaupt nichts mit Olli Dittrichs “Gesinnung” zu tun. Oder muss man jetzt auch schon in Satire- und Improvisationssendungen political Correctness an den Tag legen und wird ansonsten nach SKYnesien in das absolute Quotentief verbannt? Nicht schön, dass Herr Dittrich hier anscheinend mehr oder weniger in die braune Ecke gestellt werden soll oder zumindest damit in Zusammenhang gebracht wird. (Nicht von Dir, DillEmma, das ist mir schon klar!)
        Da nehme ich dem Herrn Dittrich eher seine Werbung für die Bild-”Zeitung” übel.
        So, Schildkröte würde sagen “Halt die Klappe, ich hab Feierabend!” ;-) (Natürlich nicht zu Dir, DillEmma.) Ich bin ja freundlicher und sage nur gute Nacht. Schöne Träume, allerseits. :-)

        • DillEmma says:

          Is schon alles richtig angekommen. Freue mich auch sehr über deine beherzte wie eloquente Ehrenrettung. Ich wage solche Vorstöße manchmal einfach nicht, jedenfalls nicht, wenn ich den Aufreger selbst nicht mit eigenen Augen gesehen, gelesen oder dem sonst wie beigewohnt habe. Ich habe ja schon von tatsächlich geschmackloser Satire gehört, die wirklich über die Grenzen geschossen sein soll. Mir selbst ist solches noch nicht widerfahren, liegt womöglich auch an den eigenen Grenzen oder am ausgewählten Satirekonsum (ick bin ja Gurrmäh). Folge dem Credo, erst wenn Satire wirklich wehtut, liegt der Finger tief genug in der Wunde (meisterhaft dabei Hagen Rether und Serdar Somuncu, sicherlich schon des Öfteren erwähnt, aber passt mal wieder, denn gerade letzterer fällt ja nun auch nicht gerade durch political correctness par exelence auf)
          Es wird immer Menschen geben, welche jene Sicht auf die Dinge nicht verstehen. Manche nehmen sie zu ernst, weil sie zu kritisch sind und einige weil sie schlichtweg zu doof sind. Ich verrenne mich ja auch gern in meiner moralinsauren Weltanschauung, aber ich weiß dieses bitterböse Ventil überaus zu schätzen, so es denn clever gemacht ist – wozu Dittsche, bei allem, was ich bisher auch sehen durfte, gewiss gehört.

          • Fellmonsterchen says:

            Solidarität unter HSV-Fans — kann doch das über Olli nicht so stehen lassen. ;-)
            Tja, wo ist die Grenze zwischen tief bohrender Satire und Geschmacklosigkeit? Das wird immer Diskussionsstoff geben, und das ist ja auch gut, denn dann muss man darüber nachdenken. Nichts dürfte schlimmer für einen Kabarettisten sein, als wenn keiner über seine Werke diskutiert…
            (Wie war noch mal der Spruch mit Minderheiten, die erst gleichberechtigt sind, wenn auch über sie schlechte (?) Witze gerissen werden? War da nicht mal was bei Harald Schmidt oder so?)
            Aber in diesem Beispiel sind die Zusammenhänge ja recht offensichtlich, zumindest, wenn nicht noch etwas anderes dahinter steckt. Ich habe ja auch gegoogelt und außer der entsprechenden Stelle nicht mal einen kleinen Shitstorm oder so gefunden… Vielleicht habe ich nicht gründlich genug gesucht, aber aus dieser Szene Olli Dittrich einen Strick drehen zu wollen, ist doch meiner Ansicht nach etwas weit hergeholt. Wenn jemand die Sendung nicht mag, okay, aber das ist noch was anderes als ihm zu unterstellen, er hätte die Grenzen seines Formats nicht im Griff, nur weil einem ein Satz nicht gefällt, der aber nun mal in das Konzept der Sendung passt.
            Neulich auf facebook bei Ruthe: Er hatte einen Cartoon gepostet mit dem Titel “Wetten, Aas…” und der Geier in “Wetten, dass…” ähnlicher Kulisse sagte: “Und hier sind Amy Winehouse und Michael Jackson.” Teilweise großes Geschrei: Geschmacklos! Dabei war doch die Kernaussage, dass das Fernsehen vor kaum einen Format zurückschreckt. Natürlich total überspitzt, aber die Kernaussage ist so wahr…

  6. Fellmonsterchen says:

    “Grenzen seines Formats nicht erkannt”, sollte das eigentlich heißen. Bitte merkwürdige Formulierungen auf zwei beinahe schlaflose Nächte hintereinander schieben, damit der Schlafmangel wenigstens mal für was gut ist. :-)

    • DillEmma says:

      Ich fand das alle volle Möhre schlüssig, allerdings auch vor dem Hintergrund zweier Nächte voller Schlaflosigkeit ….und den werd ich mir nun endlich zu Gemüte führen, hoffe das klappt :) Dir eine schöne Nacht, ab dreie wird’s kritisch ;)

  7. Ralph says:

    Schlaflosigkeit in HH und B!? Ein Metropolenproblem? Zu viel Ablenkung? Macht mal ein paar Tage Urlaub in unserer Gegend; dann schlaft ihr sogar tagsüber ein :-D Gute Besserung – aber nehmt bitte nichts von Ratiop*rm oder anderen Pillenfabriken. Natürliche “Mittel” und Methoden sind da hilfreicher …

    • DillEmma says:

      Schlaf ist überbewertet ….Wachsein aber auch. Dieses “tagsüber einschlafen” gelänge mir ja selbst in der Metropole ohne weiteres, nur Chefchen ist von derartigen Vorschlägen nicht so begeistert. An Mittelchen, die tatsächlich Wirkung zeigen, ist mir allerdings noch nie eins untergekommen, weder chemisch noch natürlich und manchmal hilft nichtmal Sport, dann ist der Körper zwar fertig, aber der Geist rotiert und rotiert und rotiert und rotiert und rotiert und ….naja ich glaub, das sollte rübergekommen sein mit der Rotation :p

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