Das Jungbrunnen-Zauberbuch

Projekt 52 BücherImmer, wenn das Fellmonster “leichtes Thema” schreibt, verfalle ich schon vorauseilend in Schockstarre, nehme die Embryonalstellung ein und harre zitternd der Dinge, die da kommen mögen. Doch der lange Winter scheint selbst hartgesottene Monster zu zermürben. Vielleicht liegt es an der Milde, welche ein womöglich geleerter XXL-Caipi zu Ehren der Schnapszahl (wir befinden uns bereits in der 11. Bücherwoche!) in das Tyraniden-Gemüt spülte. Vielleicht ist es auch nur Stress oder auch eine perfide Attacke mit Wahrheitsserum seitens des Krötengenerals. Wir wissen es nicht, doch das Thema ist tatsächlich einfach (…fast schon zu einfach – ist das vielleicht die verborgene Tücke?)

Liebstes Kinderbuch

Ich entscheide mich an dieser Stelle mehr als spontan für “Der Zauberer der Smaragdenstadt” von Alexander Wolkow und alle Folgebände, welche Wolkow auch noch selbst verfasst hat. Im Anschluss existieren nämlich auch noch zwei oder drei Bände seines Nachfolgers, aber die sind mir keineswegs in herziger Erinnerung geblieben.

wolkow zauberer smaragdenstadt

Schon die illustren Illustrationen sind soviel knuffiger als die des vermeintlichen "Originals"

Der Zauberer der Smaragdenstadt ist der erste Band dieser Reihe und eine Art russische Nachdichtung des vermutlich berühmteren Zauberer von Oz. Das amerikanische Original hinkt meines Erachtens jedoch dem Ostblock-Klassiker stark hinterher. Vielleicht ist diese meine Wahrnehmung auch ein kleiner Sieg des großangelegten Experiments zur Erziehung des sozialistischen Menschen. “Bei uns damals in der DDR” war jedenfalls die sowjetische Version des Zauberers sowas wie das Original. Da ich die letzten Tage kaum etwas machen konnte, da ich dank einer statistisch erst in zehn Jahren fälligen Krankheit (wie mir der reizende Dunkelschlumpf freundlichst mitteilte) ja meine Hände ruhig halten musste, blieb mir nichts als das Lesen. Also kramte ich unter anderem die magischen Bücher meiner Kindheit noch einmal hervor und verglich meine damalige Wahrnehmung. Das Ergebnis ist eindeutig:
Wolkows russische Nachdichtung ist schlichtweg liebevoller verfasst, strahlt insgesamt einfach mehr Wärme aus. Wohingegen das amerikanische Original eher glatt und gestylt, ja fast schon steril wirkt. Einige Kleinigkeiten, minimale Abweichungen in der Story sowie blumigere Formulierungen entscheiden den Kampf der Systeme Kapitalismus versus Sozialismus zumindest auf literarischer Ebene klar für das gescheiterte Staatenexperiment (jenes trotz sozial im Namen tragende System, welches hochgradig asoziale Blüten trug und damit der eigentlichen politischen Idee wohl auf unabsehbare Dauer nachhaltig geschadet hat).
Ein weiterer Bonus des Plagiats sind die Fortsetzungen. Der Zauberer von Oz hört einfach auf, lässt die kleinen Leseratten allein in der kalten Realität zurück. In Wolkows Werken hingegen gibt es eine Rückkehr von Elli (aka Dorothy im vermeintlichen Original) in die fantastische Welt. Es gibt ein Wiedersehen mit alten Freunden und lieb gewonnenen Charakteren des ersten Teils. Wolkow spinnt die Geschichte zum Glück der kleinen Lesenden einfach weiter. Dennoch sitzt das literarisch gerade erwachende Kind begierig an jedem Buch, saugt es der Spannung wegen rasant in sich hinein und verfällt im Anschluss an die letzte Seite vielleicht zum ersten Mal in der jungen Lese-Karriere in tiefe Trauer. Jedes Mal aufs Neue muss die wundersame Welt der Zauberwesen, Hexen, sprechenden Tiere hinter sich gelassen werden. Umso schöner dann die stetige Rückkehr, die sich auch die Hauptfigur zu Beginn eines jeden Werkes so sehr wünscht, ja in einem Band sich sogar durch heftigste Widrigkeiten kämpft, um überhaupt wieder in das Reich der Fabelwesen zu gelangen. Hier fieberte ich damals schon zu Beginn gegen die drohende Enttäuschung, dass diesmal das Wiedersehen womöglich misslänge.

6 Responses to 'Das Jungbrunnen-Zauberbuch'

  1. Fellmonsterchen says:

    Vielleicht bin ich aber auch nur alle 11 Wochen einfach mal lieb. :-)
    Von den Büchern habe ich schon einiges Gutes gehört, die sitzen gemütlich auf meiner Wuli.

    • DillEmma says:

      Da gehören sie auch hin …oder eigentlich ja sogar direkt da wieder runter.
      Es gibt auch immer eine Karte im Einband auf der mensch sich orientieren kann, wo gerade herumgelesen wird – die Existenz einer solchen Karte und natürlich euer werter Zuspruch zum Blaubär-Roman haben es dem Moers erleichtert mich nostalgisch in seine Fänge zu begeben :p

      …alle elf Wochen also, ich werd diese These mal empirisch überprüfen – ich habe so minimale Zweifel :mrgreen:

  2. natira says:

    ich liebe diese bücher u. habe teil 1 -6 (obwohl ich weiterhin teil 1-4 am schönsten finde) der zum glück ungekürzten älteren editionen. und die zeichnungen… hach.

    • DillEmma says:

      ich gebe zu, ich befinde mich sogar im Besitz einiger weiterer Teile eines gewissen Juri Kusnezow. Die brachte mir mein Väterchen aufgrund der anhaltenden Lethargie nach Abschluss des letzten Bandes. Aber wie bereits gesagt, das ist irgendwie nicht mehr dasselbe. Wiki behauptet es gäbe sogar noch mehr aus noch anderer Feder, aber die kenne ich nicht, nicht einmal den halbwegs erfolgreichsten Trittbrettfahrer…

      Aber die Zeichnungen ja, die sind einfach ….also das trägt sicherlich mit zu diesem Wärme-Ding bei :)

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  1. [...] Nicht verstecken, Frau DillEmma, es ist wirklich ganz einfach! Schlimmstenfalls müsst Ihr alle dicken Bücher aus Eurem Regal nehmen und angucken, aber körperliche Aktivitäten sollen angeblich gesund sein, also freuet Euch! [...]

  2. [...] den literarischen Kindheitsprägungen bereits relativ ausführlich mit Alexander Wolkows Reihe vom Zauberer der Smaragdenstadt und den “Meine Schwester [...]

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