Deutschstunde

Projekt 52 BücherNach langer, langer Zeit melden wir uns zurück zu den 52 Büchern. Wir holen tief Luft und starten in etwa den drölfzigsten Anlauf zur angekündigten “spektakulären Aufholjagd” – einer Art Hürdenlauf. Die erste Hürde überspringen wir noch mit reichlich Atem in den verteerten Lungen. Wie bei jeder größeren Sportveranstaltung wimmelt es dabei natürlich von Geldgebern, welche mit ihren Werbeslogans die einzelnen Hürden verzieren. Der erste Schriftzug rauscht in einem enormen Tempo von mindestens doppelter Schneckengeschwindigkeit an uns vorüber. Gerade noch können wir ihn entziffern:

Deutsche Krimis

Meine fast schon traditionsgeladene Geschichte der persönlichen Lektüre von Kriminalromanen wächst und gedeiht zu einem wahren Epos:
Erst kürzlich (genau genommen gestern) gesellte sich ein neuer Krimi zur munteren Meute aus vormals einem ganzen gelesenen Exemplar dieses Genres ( wir berichteten). Damit habe ich mal eben den Gesamtbestand verdoppelt! Im Vorbeigehen quasi.
Der pure Zufall will es so, dass dieses Werk auch tatsächlich aus der Feder eines deutschen Autors stammt, einem gewissen Bernhard Jaumann.

BILD-Kommentare Nazi

So reagierten BILD-"Leser", als sich ihre geliebte "Zeitung" unvermutet öffentlich auf Facebook, für den rosa behemdeten Hitlergrüßler vor dem Hellerdorfer Asylanten-Heim schämt. Irgendwer überrascht? Nein? Nuja...

Die Handlung selbst ist zwar in Österreich verortet, doch da Österreich und Deutschland ja sprachlich, kulturell und an zu beiderseitigem Leidwesen auch geschichtlich (nicht nur) an sensiblen Punkten derart miteinander verwoben sind, dass einst selbst der überbordenste Nationalstolz (also diese ungesunden Auswüchse von “Stolz”, die mit selbigem ursprünglich positiven Wohlgefühl auf selbst Erschaffenes nicht einmal im Ansatz mehr verbandelt sind) wahrhaft grenzüberschreitend in die haarsträubenden Theorien über willkürlich festgelegte Rassen, Nationen und sonstig gefährliches Spinnwerk eingeflochten werden konnte, zählt das. Letzteres ist sicherlich der Vorteil an Theorien welche derart aus der Luft gegriffen sind, dass jene, die sie er”denken”, sie auch dergestalt zurechtrücken können, wie es ihnen und ihren Zielen eben am besten in den Kram passt. Das Ganze ist ja auch heute noch eher gängiges Prinzip. So liegt die Definitionsmacht meist bei den Herrschenden selbst, wobei “Herrschende” im Weiterdenken nicht auf ein reines Führerprinzip – wenn wir grad beim Thema sind – referiert, sondern auch ganze bevorzugte Bevölkerungsgruppen mitmeinen sollte. Gut, zu sehen auch gern immer wieder in der Wissenschaft oder schlicht bei der Schwerpunktlegung des Nachrichtenwerts und deren Deutung in den Medien. Aber wir verlaufen uns schon wieder. Schlittern auf Glatteis. Aalen uns im Licht der Erkenntnis. Sühlen uns im Schmutz düsterer Wahrheiten, anstatt schnell wieder zurück auf unsere Hürdenstrecke zu spurten. Nun denn – Auf zum Buch und Schluss mit philosophischen Abwegen zu hässlichen Gnomen mit Little-Man-Syndromund ihrer paradigmatischen Leuchtturmfunktion in puncto Terminologischer Determiniertheit (oder wie immer man das nennen will, wenn irgendwo in dem Geschwafel oben schon einmal Definitionsmacht steht und der schreibende KirrWopf nichts ärger scheut als stumpfe Wiederholungen).

“Hörsturz” – Joachim Naumann

Dieser deutsche Krimi ist nicht nur meine erste deutsche Krimilektüre, es ist auch noch der erste Kriminalroman, den dieser Herr Jaumann je verfasst hat. Zufall? Wir wissen es nicht.
Bei Hörstürz handelt es sich jedenfalls um den Auftakt einer besonderen Krimireihe, welche sich den fünf Sinnen widmet. Der Titel sorgt dabei für Überraschungen:
Es geht um den Hörsinn.
Wer hätte das gedacht.
Vielmehr geht es sogar um das sinnliche Hören.
Die ganze Geschichte beginnt während einer Radiosendung der reichlich (nicht nur musikalisch) überreizten Moderatorin Ruth Strelecky, welche in ihrer Show lediglich überaus sarkastisch das Thema “Wien wie es singt und klingt” behandeln möchte:

“Unser Wochenthema ist die Art von akustischer Umweltverschmutzung, die hierzulande gern als Musik bezeichnet wird und auf die wir Wiener allgemeiner Überzeugung nach stolz zu sein haben. Kommt euch die Brühe aus Walzern und Operetten, Heurigenliedern und Musicalsongs auch schon zu den Ohren heraus? Ruft uns an! 06-6066996. Sagt uns eure Meinung zum Mythos “klingendes Wien”. Zur Anregung hier: Bahn frei für [an dieser Stelle stand der Titel irgendeines Marsches, den WordPress dank Absturz gelöscht hat. Ich könnte ihn zwar hier wieder einfügen, aber fragt mich mal, wo nun das Buch abgeblieben ist, wo dieser Artikel doch schon in den Entwürfen vor sich hinstaubte]

In besagte Sendung platzt dann eine Anruferin mit dem geheimnisvollen Namen “Minnie aus dem 6. Bezirk”. Ruth, in ihrer unverwechselbar hochnäsigen Art, gedenkt Minnie schon allein des Namens wegen, zunächst ungefähr so ernst nehmen zu wollen, wie deutsche Lehrer es mit Kindern namens Justin, Chantal und dergleichen gerne praktizieren. Leider verändert Minnie mal so ganz nebenbei Ruths Leben grundlegend. Sie verliest ein Kommuniqué, in welchem sie Aktionen gegen die dekadente Musikkultur Wiens ankündigt. Am Abend kracht es dann auch im ersten Konzert. Dies ist weder Minnies letzter Anruf in Ruths Sendung noch bleibt es bei diesem einen Anschlag auf die Opernhäuser.
Bei einem jener Attacken auf Wiens musikalisches Nachtleben, verschwindet auch Ruths Schwester, während sie in einer Aufführung der Zauberflöte die Pamina singt. Soviel darf ich zumindest noch verraten, weil es auch im Klappentext steht. Es folgt die unvermeidliche Suche nach den Tätern. Parallel sucht Ruth nach ihrer Schwester, denn natürlich haben beide Fälle etwas miteinander zu tun. Das sieht die Polizei zwar anfangs nicht (wie womöglich üblich in Kriminalwerken über Laien-Ermittlungen aus dem Angehörigenumfeld), aber für jede_n halbversierte Tatort-Kenner_in oder sonstige geradeaus denkende Menschen, ist das relativ klar ersichtlich (schließlich hätte ja sonst auch ein Handlungsstrang ausgereicht). Dass hier zu einem womöglich in Krimikreisen weiter verbreitetem Aufbau des Spannungsbogen gegriffen wird mindert allerdings keineswegs den Genuss der Lektüre im allgemeinen.
Was bietet das Buch also sonst noch? Zahlreiche Leichen, die sicherlich coolste – im Sinne von traurig und schreiend komisch zugleich – Beerdigung aller Zeiten und einen Papageien namens Kant, der statt Aufklärung nur “Au, Au” sagen kann. Zudem mochte ich einige Formulierungen des Autors einfach unheimlich gern. Und in Sachen Sinnlichkeit beschlich mich streckenweise das Gefühl, es wird eine ähnliche Strategie zur Veranschaulichung der Geräuschkulissen gefahren, wie Süskind es mit den Gerüchen im Parfum vollzieht. Nicht abgekupfert aber stilistisch durchaus davon beeinflusst.
Fazit:
Ich bin ja nicht sonderlich erprobt darin zu berurteilen, was ein Krimi nun alles mitbringen sollte, um gut zu sein. Meine kriminalistische Versiertheit erstreckte sich bis vor kurzem ganz spießbürgerlich nun tatsächlich nahezu ausschließlich auf denn sonntäglichen Tatort (worunter für mich auch der Polizeiruf fällt) und einige Folgen der Kommissarin Lund. Literarisch bewege ich mich also eher auf #Neuland und das hat es ja generell an sich erstmal vieles unvorbehaltener und positiver zu sehen, als ein geübtes, aber auch womöglich schon übersättigtes Auge. Ich war also amüsiert, wenn auch nicht nachhaltig beeindruckt. Doch ich denke, dass ja auch Kurzweil primäres Ziel jenes nun nicht übermäßig tiefgründigen Genres ist. Also: Ziel erreicht. Zum entspannten Genuss-Lesen würde ich mir also jederzeit einen der Folgebände gönnen.

3 Responses to 'Deutschstunde'

  1. Fellmonsterchen says:

    Juhuu, Du bist wieder da!
    Zu mehr sinnigen Kommentaren bin ich nicht fähig, krankheitsbedingt, aber Hauptsache, Aufholjagd!

    • DillEmma says:

      Oh, gute Besserung – ich hoffe, nix ernstes und dass du dann bald wieder fit bist für deine geliebten Zehn-Stunden-Tage in der Anstalt mit anschließendem Rahm-Besprechungsmarathon, Weltherrschaftsplänen, Vorbereitungen und Einfädelungen, Monster-Fütterungen, Nougatvernichtungsorgien, Caipianrüuhrungsexzessen, Hutzen- & Hurschbeknuddelungen …also da wird mir beim Runtertippen ja schon schwindelig und das, wo ich sicherlich den Großteil vergessen habe …aber Kern der Aussage: Werd gesund – die Welt braucht dich (und ich möchte dir gern das Geheimnis deines 43-Stunden-Tags entreißen…)

Trackbacks/Pingbacks
  1. [...] Immerhin befinden wir uns ja nach langer Muskelerschlaffung erst im Aufbautraining, da hat die erste Hürde den Oberschenkel noch ganz schön zum “Mimimimimi”-Singen gebracht. So salben und ölen [...]

Hinterlasse einen Kommentar zu Fellmonsterchen Cancel reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

*