Gott mag’s von hinten

Lesen nach Alphabet Ein weiterer Beitrag aus der Reihe “Wir rezensieren das Alphabet. Heute der Buchstabe “W” wie “Wie” oder auch “Weichnase”, “Wolpertinger”, “Wanderprediger” & “Wahnvorstellung”. So schön die anderen W-orte auch sind, widmen wir uns dem profanen “Wie”. Nicht irgendein Wie, sondern ein überaus sakrales Wie:

 

Wie es Gott gefällt

Beim Lesen auf der Feuertreppe, die bei uns vorwiegend von Rauchern zur sinnvollen wie gesunden Pausengestaltung genutzt wird, verblüffte mich die Frage eines Kollegen zum Buch: “Wie gefällt es denn Gott? Von hinten?”
Ich lachte höflich über den recht unbeholfenen Scherz, doch am entscheidenden Wendepunkt der Geschichte erschien mir diese spontane Einschätzung zum Roman plötzlich in einem anderen, unheimlichen Licht zwischen kaltem Schauer & kochender Wut.

Inhalt

ammaniti wie es gott gefälltWie es Gott gefällt erzählt von einem außergewöhnlich infernalischen Trio, dessen Anführer Rino Zena ist. Rino ist ohne Arbeit & Perspektive, ein brutaler Säufer, bekennender Nazi und obendrein alleinerziehender Vater seines dreizehnjährigen Sohnes, Christiano. Rinos beste Freunde, Quattro Formaggi und Danilo bilden neben Christianos Vater sowohl die einzigen, als auch fatalen Sozialkontakte des Heranwachsenden. Quattro Fromaggi, benannt nach seiner Lieblingspizza, ist ein tief religiöser Einfaltspinsel. Nachdem er einst vom Blitz getroffen wurde, gesellen sich zu seiner geistigen Schwäche auch noch einige körperliche Ticks, welche seinen Außenseiterstatus in der Dorfgesellschaft zementieren. Danilo hängt seit der Trennung von seiner Frau täglich in einer Bar gegenüber der örtlichen Bank herum und sinniert über den ganz großen Coup. Gemeinsam mit seinen Kumpanen Quattro Formaggi und Rino möchte er den Geldautomaten klauen.
Wenn drei solch begnadete Verbrecher gemeinsam ein Ding planen, ist absehbar, dass eigentlich alles schief laufen wird. Die Richtung welche die Geschichte in jener Schiksalsnacht des Diebstahls jedoch nimmt, ist ebenso unerwartet wie niederschmetternd.
Trotz oder gerade wegen ihres Außenseiterdaseins wachsen einem die drei Pappköpfe ziemlich schnell ans Herz. Einerseits sitzt die Abscheu tief, keinem von ihnen möchte man allein in einer dunklen Gasse begegnen, geschweige denn ein längeres Gespräch führen. Dennoch flackert zwischen dem ganzen Hass auf “die da oben”, “die Schlampen” & “die Kanaken” und der von Faschismus, Sexismus und purer Dummheit geprägten Weltanschauung stets auch etwas berührend Menschliches in den Protagonisten mit. Mitleid, mit dem verklemmten Quattro, dem verzweifelten Träumer Danilo und auch dem verletzten Rino. Ständig läuft irgendetwas schief, dreht die Welt sich schneller, als sie   oder werden sie ausgetauscht gegen bessere Modelle, ob als Liebhaber oder Arbeitskraft. Die Kratzer an der Seele sind nachvollziehbar, die Schlussfolgerungen daraus lediglich mit ebenso beschränktem Horizont.
Alles, was Rino seinem Sohn bieten kann, ist seine Zeit und seine unbeholfene Fürsorge. Beides nutzt er, um aus Christiano einen “waschechten Kerl” zu formen. Trotz der emotionalen Beschränktheit, ist der gute Wille durchaus erkennbar und der dumpfe Nazi wird erschreckender Weise die Identifikationsfigur des Romans. Das Verhältnis zwischen Vater und Sohn, welche in katastrophalen ärmlichen Verhältnissen hausen, ist das Lichtelement dieser Düsteren Szenerie am Rande der Gesellschaft. Eine Geschichte die sich stets zwischen den Enttäuschungen und erfreulichen Kleinigkeiten des Alltags bewegt, getragen von ebenso ambivalenten Charakteren, welche einem im einen Augenblick noch das Herz öffnen, wie Quattro Fromaggi mit seiner abstrusen Krippenbastelei und im nächsten Augenblick schon wieder Enttäuschung und Wut beim Lesenden provozieren.

Fazit

Der Autor, Niccolo Ammaniti legt einen außergewöhnlichen und spannenden Schreibstil hin. Die rasanten Schnitte in seiner Erzählung wirken dabei fast schon filmisch. Das Setting in Sachen Milieu und Charaktere erinnert ein wenig an die britische Reihe zur Geschichte der Skinhead-Bewegung”This is England“. Die Tristesse und der Abgrund, welcher die Protagonisten stets nach unten zieht, wirkt an mancher Stelle tatsächlich ein klein wenig konstruiert und getragen von Klischees. Aber nichtsdestotrotz fehlt es den Charakteren keineswegs an Tiefe, wenn auch an Tiefgang. Über sie zu lachen, statt mit ihnen fällt manchmal leichter, denn der Humor in ihren Kreisen, ist ebenso rauh wie die Sitten. Ich hab selten mal ein Buch angeschrien, Ammaniti konnte diese irrationale Handlung provozieren, also wenn das nichts ist…

10 Responses to 'Gott mag’s von hinten'

  1. Ralph says:

    “Gott mag´s von hinten” – eine Frage der Perspektive! Aus seiner oder einer anderen Sicht, um es neutral zu formulieren? Eine wichtige Frage, die “offensichtlich” aber nichts mit dem Buch zu tun haben scheint …

    Ein Buch anschreien – auch interessant! An mir hätte Herr Freud sicher viel Vergnügen gehabt; bei Dir eher Nietzsche? ;-)

    • DillEmma says:

      Ich häng zu selten mit diesem Gott herum, um das so wirklich genau beurteilen zu können. Würde ich den Typen nach seinem Humor beurteilen, ordnete ich ihm (ja, ja oder ihr oder gar außerhalb der Geschlechterdichotomie) eher den dominanten Part zu. Gehe ich von seinem masochistischen Fernsehgeschmack, 24/7 “Die Menschheit” aus, so würde ich eher auf die andere Perspektive tippen. Tja, wie schon in der Bibel steht, die Sexualität des Herrn ist unergründlich.

      Mit Freud habe ich irgendwie ein Problem oder glaube, er hatte irgendwie ein Problem, wenn nicht gar mehrere. Bei Nietzsche bin ich überaus leicht zu schubladisieren, der rockt, da kann ich mich nicht gegen wehren.

  2. Ralph says:

    Nietzsche rockt – Freud host; um es mal auf einen Nenner zu bringen! Und obwohl ich eher auf Röcke stehe – also, nicht bei mir persönlich – habe ich doch auch etwas für Freud über …

    • DillEmma says:

      Wieviele Namen solch ein Tausendsassa so braucht ist ja “epochal” …wie kamen se denn auf DJ, Herr Mephi? :D
      Die Theorien von Freud find ich auch durchaus spannend zu lesen, nur mit dem Ernstnehmen da hapert es ein wenig oder es bäumt sich am durchblitzenden Frauen- und Männerbild zuviel in mir auf. Aber ich bin sicher, selbst dafür hätte Siggi eine Theorie parat

      • DJ says:

        DJ steht für DarkJohann, Frau DillEmma. Und DarkJojann ist ja quasi Mephi – aber das ist wieder eine längere Geschichte :-D Mit Ernst hast Du etwas verwechselt – es geht ja doch um Siggi. Ernst war Jünger …

        • DillEmma says:

          Ha! Tja also wer solch Transferleistung von einem adventsmalträtierten Schädel verlangt, da kann ja nur Versagen lauern. Ernst ist schon zwei Jahre und schmeißt nun mit Leerzeichen um sich. Längere Geschichten sind gut, dürfen gern unter nicht vorhandene Kamine gepackt werden, damit ich sie mir in meinem wohlverdienten Urlaub in knapp vier Tagen bzw. 31,57 Arbeitsstunden bei einem Kakao zu Gemüte führen kann.

          • DJ says:

            Ne, ne – das ist ja der Erst, der aus Spaß entstanden ist! Und die Geschichte um DJ, Mephi und den darken Johann ist für einen Kakao definitiv ungeeignet ;-)

            • DillEmma says:

              Welches Getränk würdest du zu solcher Lektüre denn empfehlen? Klingt nach was stärkerem ….Kakao wird einfach unterschätzt, aber es is doch Schokolade – SCHOKOLADE!

          • DJ says:

            Ein (sehr) alter Single Malt – erdig, verrucht und voller dunkler Legenden über verschollene Jungfrauen :mrgreen:

            • DillEmma says:

              Allein die Vorstellung sorgt auf dieser Seite für einen Hustenreiz. Ich bin ja großer Verfechter der “Außer Wodka geht nix pur runter & Whisky bitte nur im Kirschsaft”-Fraktion – von solchen Geschmacksumschreiberlingen höchstwahrscheinlich in der ketzerischen Schublade untergebracht ;)

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