Pädagogisch wertvolle Literatur

Projekt 52 BücherEin kontroverses Thema, was Mella da in der 22 Woche des Projekts “52 Bücher” in den Ring wirft:

Bücherregal für Jugendliche einrichten (welche Bücher gehören gut versteckt ;-) )

Da bin ich schlichtweg überfragt. Von welchen Jugendlichen sprechen wir in diesem Zusammenhang? Handelt es sich um das gemeine Fußvolk, welches förmlich ununterbrochen zugedröhnt, marodierend durch Fußgängerzonen zieht, dabei Sätze nach dem Schema “(Deine Mudda) Prädikat Objekt/Schimpfwort, Alda/Digga” skandiert? Oder handelt es sich um meinen eigenen adoleszenten Nachwuchs, welcher selbstverfreilicht völlig makellos vor sich hin existiert, existenzielle Probleme der Menschheit im Vorbeigehen löst und eh von keinerlei noch so problematischer Literatur beeinflussbar erscheint? Bei ersteren empfehle ich Werke wie Knigge, Wörterbuch & irgendwas mit sexueller oder geschichtlicher Aufklärung als Wurfgeschosse zu benutzen. Natürlich nur zur Selbstverteidigung.
Letzterer braucht natürlich weder Warnungen noch Ermutigungen. Souverän meistert jener Abkömmling den stürmischen Seegang auf den Weltmeeren der Literatur. Selbstständig werden die scharfen Klippen umschifft, Schiffbrüchige gerettet und literarische Schätze aus den Tiefen der dunklen See geborgen. Das alles selbstredend ohne dass die pädagogische Peitsche geschwungen werden muss oder überhaupt je zum Einsatz kam. Alles Veranlagung – mein persönliches Kaspar-Hauser-Projekt widerlegt jegliche Sozialisations-Theorien. Irgendwann. Oder auch nicht.

Fakt ist: Ich habe keinerlei Ahnung, welche Literatur einen heranwachsenden Menschen in die richtige Richtung beeinflusst und welche eben nicht. Ich wette allerdings: Ihr wisst es auch nicht. Saugt sich nicht jede_r ganz individuell irgendwelche Erfahrungen aus dem heuraus, was er sie es so liest, erlebt, hört und sieht? Ich würde in der Hinsicht lediglich von jeglicher Pauschalisierung abraten. So kann ein Buch, welches ursprünglich lediglich trockener Erfahrungsbericht ist oder dazu gedacht die nachfolgende Menschheit von folgenschweren politischen bzw. persönlichen Fehlern abzuschrecken, in der Blackbox “jugendlicher Rezipient”, welche sich synapsentechnisch ja in einer umfassenden Phase des Wandels befindet, genau an die falschen grauen Zellen andocken. Zumindest ist dies eine der einzigen unzureichenden Erklärungen für mich, weshalb auch vor jener Phase jugendlicher Rebbelion halbwegs vernünftige Menschen, plötzlich debil lächelnd einem widerwärtigen Nazi-Songschreiber lauschen, während dieser etwas von “aus der Judenhaut, wird ein Lampenschirm gebaut” trällert. Im Normalzustand, ganz ohne Hormonvernebelung, treiben einem solche Zeilen ja höchstens Tränen, Erbrochenes & Zornesröte in die Region oberhalb des Halses. Selbst bei den meisten pubertär Verstörten wird eine oder mehrere dieser Handlungsoptionen wohl als Standard präferiert werden, doch irgendwas muss ja bei einigen schief laufen, sich gar irreparabel festsetzen und im Laufe der Zeit nicht mehr gerade zu rücken sein. Denn wo bitteschön sollten sonst so viele Idioten rekrutiert werden, wie ich sie tagtäglich auf der Straße sehe? Ich möchte bei diesen Erläuterungen natürlich nicht nur an den äußersten Rändern unserer Gesellschaft kratzen. Ich mag sogar eine Menge Menschen nicht leiden – nicht nur Nazis oder FDP-Wähler. Auch Menschen, die den Blinker nicht benutzen und harmlose Fahrradfahrer umsensen. Auch Leuten, die Schokolade nicht mögen, stehe ich überaus skeptisch gegenüber.
“Individualität” heißt also mal wieder das mehr als komplizierte Zauberwort …und “Liebe” – wie in so vielen Fällen.

3 Responses to 'Pädagogisch wertvolle Literatur'

  1. Ralph says:

    … und Bildung, möchte ich diesem schönen Post noch ergänzend hinzufügen. Gebildete Menschen werden keine Nazis und wählen auch nicht FDP. Wir brauchen wieder mehr “Bildungsbürgertum.” Ein Begriff, der so kaum noch Präsent ist. Und trotzdem ein Geschenk ;)

    Liebe und Schokolade hängen eng zusammen :mrgreen: Und wenn die Schoki dabei nicht weich wird, kann man sie danach sogar essen …

    • DillEmma says:

      Ich habe lange damit gehadert, doch die Bildung letztendlich absichtlich außen vorgelassen. Bildung erscheint mir entweder überbewertet oder heutzutage lediglich nur noch auf die Akkumulation bloßer Fakten, eine reine Anhäufung von Wissen betrachtet. Die emphatische Komponente, humanistische Werte und so etwas wie Kultur bleiben dabei irgendwie auf der Strecke – daran krankt die arme Bildung und so werden auch aus durchaus von der gesellschaft als “schlau” definierten Scheinindividuen Nazis & FDP-Wähler_innen. Bildung braucht Zeit und keinen Leistungsdruck – das entmenscht das sogenannte Bildungsbürgertum.
      Ich plädiere daher auf eine Neuinterpretation der Definition von Bildung (von mir aus auch auf eine Rückkehr zu womöglich konservativen Ansichten über jenes Konstrukt) – erst dann darf die Bildung hier auch wieder Einzug nehmen – zuvor heißt es (für mich) jedoch den Fokus augf die kopflose Liebe zu setzen :P

      • Ralph says:

        Das schreit nach Widerspruch – also, die Sache mit dem Bildungsbürgertum. Doch es sind reine Definitionsfragen; also halte ich mal still.

        Kopflose Liebe = weißer Schimmel :P

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