Chic Lit isst keine Choc’late zum Frühstück

LesenUrsprünglich wollte ich diese Woche in Streik treten. Das Thema der 19 Woche der 52 Bücher beim Monster hat mich zunächst förmlich umgebatzt.

Chic Lit

Eine ziemlich unerwartete Wahl für eine angehende Weltherrscherin, welche selbst den männlichen Erdenbürgern zum Frauentag gratuliert. Immer für Überraschungen gut, das Viech (sind Monster Viecher?).

Wie gesagt – meine erste Reaktion sah ungefähr folgendermaßen aus

Occupy SignDoch eine Kröte kam des Wegs und verbreitete versöhnliches Gequake. Mein derzeitig liebstes Point and Click Adventure mit dem morbiden Touch als Eindringling in die rosafluffigen Welt der tres chic Chicks zu betrachten – ich wär nie drauf gekommen, doch es gab Mut und Ansporn zur radikalen Umdeutung der Thematik. Das Fingerkuppenweitspucken-Blog lieferte auch eine teilweise brauchbare Erklärung für weiteren Interpretationsspielraum. Zumindest der erste Satz ist akzeptabel für mein weiteres Vorgehen:

chick lit is a genre comprised of books that are mainly written by women for women

Nagut. Lässt man die folgenden Erläuterungen außer Betracht, kann da durchaus gute Literatur drunter sein. Ich weigere mich auch gegen diese abwertende Wortwahl der Chic Lit. Wir streben den geordneten Rückzug in die Frauenliteratur an. Wir brauchen keine fancy words.

Damit sind wir glatt bei einem Thema, welches ich begeistert aufgreifen werde. Schlagartig drängen sich gleich mehrere Meisterwerke jenes eher politischen als trivialen Genres nach vorne. Alle wollen besprochen werden, jedes möglichst zuerst. Also versuche ich mich in einer gleichzeitigen Erwähnung aller Werke, indem ich Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen ihnen aufzeige.

Zu den Buchtiteln

Gerd Brantenberg (1977)
Die Töchter Egalias (Egalias døtre)

 

Senta Trömel Plötz (1982)
Frauensprache: Sprache der Veränderung

 

Luise F. Pusch (1984)
Das Deutsche als Männersprache

 

Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Alle drei Werke stammen ganz klar aus der Hochzeit der Frauenbewegung. Jedes von ihnen widmet sich dem linguistischen Aspekt von Unterdrückung und Ausgrenzung, der Festschreibung von Machtstrukturen in der Sprache, welche ja elementar das Bewusstsein ihrer Sprecher prägt.

Obgleich gerade die letzten zwei Werke eher wissenschaftliche Abhandlungen darstellen, sind sie in keinster Weise trocken und öde verfasst, was sonst leider eine verbreitete Eigenheit der linguistischen Fachliteratur ist. Die grammatisch, semantische Sezierung der Sprache an sich und die Differenzen im Sprachgebrauch zwischen den Geschlechtern sind lockerfluffig aufbereitet (ha! – doch ein Charakteristika der Chic Lit :-p). Trotz der Zeit welche seit der Niederschrift jener Beobachtungen und Schlussfolgerungen vergangen ist und dem oft  weitverbreiteten Glauben, wir seien doch schon nahezu überemanzipiert in dieser unserer Gesellschaft, haben die Betrachtungen kaum an Aktualität verloren. Ein Leseerlebnis, welches die eigene Sprache und die jener Menschen, mit denen man so alltäglich interagiert mit anderen, kritisch geöffneten Augen wahrnehmen lässt. Pusch & Trömel-Plötz sind die Begründerinnen der feministischen Linguistik, welche leider in den alteingesessenen Zweigen ihrer eigenen Fachrichtung immer noch von viel zu vielen Seiten eher belächelt und abgetan wird. Die werte Frau Pusch gilt mancherorts gar als Urheberin des so umstrittenen Binnen-I (ich persönlich bevorzuge ja auch eher den Unterstrich, aber das ist eine andere lange Geschichte).

Gerd Brantenberg – ja, in der Tat, ich weiche nicht von der Definition zur Chic Lit ab, Gerd ist ein norwegischer Frauenname, es handelt sich also um eine Autorin – schrieb mit den Töchtern Egalias einen Roman in welchem sie eine matriarchale Gesellschaft zeichnet. Von der Sprache bishin zu allen Riten, Gebräuchen und Machtverhältnissen scheint die Welt hier derart Kopf zu stehen, dass einem die Schräglage der eigenen Welt teilweise erst augenscheinlich wird. Auch die Frauenbewegung (hier natürlich Männerbewegung) wird augenzwinkernd hinterfragt, aufbereitet und in den Fokus gerückt. Diese Art der Darstellung ist nebenbei auch so herrlich überspitzt und bis ins kleinste Detail ausgearbeitet, dass auf eine ebenso erleichternde wie empörende Art Komik entwickelt wird.

Im Land Egalia frauscht die Gleichberechtigung der Geschlechter. Keine käme auf die Idee, ihren Mann, der zu Hause auf die Kinder aufpaßt, respektlos zu behandeln. Oder den Begriff Wibschen, der für Frauen und Männer gleichermaßen gilt, durch eine Konstruktion wie »Menschen« zu ersetzen, weil dam so dem männlichen Anteil der Bevölkerung zuviel Gewicht beimessen würde.

Anfangs ist das Ganze teilweise beschwerlich und befremdlich zu lesen, aber man frisst sich rasant hinein in den Stil – die Liebe zum Detail begeistert schlichtweg. Die Hinterfragung der mitgeschleppten ethymologischen Hintergründe aus streng patriarchalen Zeitaltern und dem Erhalt in einer Zeit der offenkundigen Gleichberechtigung ist sowohl amüsant als auch unglaublich aufschlussreich gestaltet. Es muss ja nicht bierernst genommen werden, aber einen Blick sind diese Ausflüge in die Kritik immer noch wert. Sicher auch für männliche Wesen geeignet – was jetzt vielleicht im Widerspruch zum éigentlichen Thema der Chic Lit steht.

Trackbacks/Pingbacks
  1. [...] korrekt geeicht, so kommt es schlagartig zu einer allgemeinen Hirn-Dörre und es wird vermehrt zu Chic-Lit und dergleichen [...]

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