Einstein und das weiße Kaninchen

Lesen Jener große Guru der deutschen Verblödungsindustrie proklamierte einst (vielleicht tut er dies ja sogar heute noch, mensch weiß so wenig und ist ja auch so ängstlich, was die Recherche in den dunklen Gefilden & tiefsten Abgründen jener Ruinen der Unterhaltungskultur angeht) “Wir haben doch keine Zeit”. Solche Thesen heißt es, geschickt in Frage zu stellen, ihre einzementiert scheinende Wahrheit zu zerbröckeln und ihnen die Maske der Allmacht niederzureißen! Daher möchte ich es schon fast als “Geniestreich” bezeichnen, angesichts eines Themas, das soviel Eile, Hektik & Stress ausstrahlt oder in heutiger Zeit vielleicht auch lediglich mit solchen Attributen konnotiert ist, derart ausschweifend und zeitraubend zu formulieren:

“Zeit-Reise”… also alles was irgendwie inhaltlich mit dem Thema “Zeit” zu tun hat… (wie der weiße Hase bei Alice zum Beispiel)

Wenn es um jene Kategorien geht, in denen die Menschheit ihr gesamtes Denken kategorisiert, muss natürlich DIE Koryphäe auf dem Gebiet zur Erforschung von Raum-Zeit-Kontinuitäten, -Abweichungen & generellen Ordnungen genannt werden: Albert Einstein. Der wohl wichtigste sowie in seiner scheinbar verträumten Art irgendwie sympathischste Vertreter populärer Physiker. Pazifist, Violinist & Utopist – also förmlich die sprichwörtliche Ausnahme von der Regel, dass -Ismen den Charakter verderben. Einstein wurde Legenden zufolge wohl durch Träumereien zu seiner Relativitätstheorie inspiriert. Auch wenn ich den Mann nicht persönlich kannte, gefällt mir die Vorstellung eines kindlich freien Geistes, der sich beim Verwachsen nicht durch Alltäglichkeiten oder existierende Theorien in das Korsett der Realitäten hat zwängen lassen. Immer schön relativ bleiben!

Menschen, welche weniger an der physikalischen Relevanz von Einsteins Theorien, als an philosophischen Gedankenspielen innerhalb jener kognitiven Konstrukte interessiert sind, sei dieses kleine Büchlein ans Herz gelegt:

Alan Lightman: Und immer wieder Zeit – Einsteins Dreams

Einsteins Traum von RelativitätIm Berner Patentamt hängt der junge Einstein 1905 einigen Träumen über die Zeit nach. 30 Phantasmen darüber, welchen Einfluss es auf die Welt hätte, wenn das Theorem “Zeit” auch nur minimal abweichende Erscheinungsformen annähme, als es das in unserer “Realität” mutmaßlich zu tun pflegt.
In einer der für mich schönsten Kurzgeschichten breitet die Zeit sich polar über die Welt aus. An einem Punkt startet sie, ist enorm verdichtet, alles scheint still zu stehen. Von dort aus zieht sie sich über den Globus und alles nimmt an Geschwindigkeit zu, je weiter es vom Ausgangspunkt der Zeit entfernt ist. In dieser Welt markiert der Punkt an dem die Zeit ihren Ursprung nimmt eine Art Pilgerstätte für Verliebte. So ziehen Pärchen jeglicher Art, Verliebte, Eltern mit ihren kranken Kindern, Kinder mit ihren alt gewordenen Müttern & Vätern zu jenem Punkt (ja, womöglich sogar BärchenPärchen – dieses Wort ist so klebrig, es löst sich schlicht nicht von den Hirnwindungen), um dem stetigen Fortschreiten der Zeit zu entkommen und dort in ewiger Umarmung mit ihren Liebsten vereint zu sein. Ein teils grauenhaftes wie zähes, teils zutiefst romantisches Bild, wie sie dort alle verharren, im ewigen Stillstand und im ewigem Glück. Festgefroren in der Zeit.
Solche und ähnliche Überlegungen, aber auch völlig abweichende Geschichten zu Raum-Zeit Verschwurbelungen stecken in dem kleinen Büchlein. Manches regt zum Schwelgen an, einiges zum Aufatmen über den Ist-Zustand. In jedem Falle aber, bewegt es den Geist auf eine wunderschöne, nicht-mathematische und dennoch zaghaft wissenschaftliche Weise. Alles ist relativ. Die Brillanz dieser Kurzgeschichten erscheint jedoch ausgesprochen real.

7 Responses to 'Einstein und das weiße Kaninchen'

  1. Ralph says:

    Veto: “DIE Koryphäe auf dem Gebiet zur Erforschung von Raum-Zeit-Kontinuitäten” ist RINCEWIND – nicht Einstein! Sehr gut gefallen hat mir hingegen Dein “Korsett der Realitäten” – auch wenn ich finde, dass Du Dich damit ein wenig einengst – aber jeder Frau ihren Fetisch, gell^^ Auf keinen Fall infrage stellen möchte ich das von Dir gewählte Bild vom Fortschreiten der Zeit – je weiter vom Ursprung entfernt, desto schneller! Eine sehr schöne Metapher, die Du da gewählt hast. Faszinierend sogar, um es mit Mr. Spock zu formulieren ;-) Denn je weiter wir uns von der Quelle von etwas entfernen, desto flüchtiger wird es. Verflixt, jetzt erkläre ich Dir schon Deine eigenen Metaphern … ich bin eben ein Erklärbär – aber kein Bärenpärchen. Und auch nicht zwei Öltanks :mrgreen:
    LG,
    Ralph

    • DillEmma says:

      Den RINCEWIND musst ich erstmal gockeln. Meine große Bildungslücke: Die Scheibenweltromane. Ich hadere noch, was die Schließung derselben angeht. Viele sympathische Menschen sind ja begeistert – mir scheinen andere jedoch, an deren Sympathie ich noch zweifle, hingegen weniger überzeugt. Der Witz ist, jene Sympathieträger “kenne” ich nur über das, was sie so an gesiebter Information in den Äther fließen lassen. “Die Anderen” sind so Menschen zum Anfassen. Dies sagt wohl entweder eine Menge über den persönlichen Bekanntenkreis aus oder lediglich darüber, dass mein Glaube sich an haptisches Erleben kettet.

      Das Korsett-Bild kam mir im Übrigen beim Kommentieren eures Beitrages, genauso wie die eigentliche Buchwahl – dafür selber danke ;)

      Pssst: Ich glaube Erklärbären sind fast brauchbarer als Bärchenpärchen. Ach je, jetzt klebt es wieder, alles vollgekleistert mit rosa Zuckerwatte und Puschelflausch, die verdecken mir hier nun die tiefere Bedeutung der Öltanks – verwirrt ins Lummerland, na das kann ja was werden :-P

  2. Silke says:

    Oh, oh, das scheint mir ein Buch für die Weihnachts-Wu-Li zu sein. Unbedingt.
    Na und was die Scheibenwelt angeht: Versuch macht kluch! Eigentlich kannst Du da nix falsch machen. Ich persönlich mag am liebsten die Bücher mit den Hexen, mit TOD und die mit Rincewind sowieso. Obwohl die Stadtwachen-Bücher auch schön sind. Hach, schwierig das. Ralph schwört auch auf “Einfach göttlich”, während ich den “Zeitdieb” auch ziemlich genial finde. Probier einfach mal irgendeins aus. Lohnt sich. Echt. :-D

    • DillEmma says:

      Das ist doch mal hilfreich – bei der Vielzahl an Titeln und als Verfechter des chronologischen Lesens war eine Angst, es könne vielleicht an einzelnen Werken liegen, welche den Kritikern den Blick trüben, anders kann ich mir die stark auseinandergehenden Meinungen kaum erklären. Die Tipps werd ich mal glatt auf meine Wei-Wu-Li kritzeln, denn prinzipiell reizt diese Reihe eh immer wieder und was kann schon groß schiefgehen :p

      • Silke says:

        Chronologisch muss man hier nicht lesen. Man kann eigentlich überall wunderbar einsteigen und wird mit jedem Buch gut “abgeholt”. Na, ich bin schon sehr gespannt, wie Du sie findest. :-)
        Liebe Grüße in den Dienstag Abend!
        Silke

        • DillEmma says:

          Ich werd mich dann auf jeden Fall in Rückmeldungen ergehen (zumal auf diese Diskussion hier auch nochmal von anderer vertrauenswürdiger Seite auf die Qualität der Bücher gepocht wurde) ….vielleicht ja gar in der Verlängerung – Schrägstrich – zweiten Runde der 52 Bücher :)

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