Familienzusammenführung – Sätze und Autoren

LesenWir haben hier ja auch einen sozialen Anspruch, einen kulturellen Auftrag quasi als Mitglieder der maoistischen Netzgemeinde 2.0 – Mist ich würde ja jetzt gern ordentlich zitieren, aber mein Gülleverdrängungsmechanismus im letalen Hypothalamus …nee is Schwachsinn, ich mag dem komischen CDU-Emporkömmling und Schöpfer jener “digitalen Maoisten” Ansgar Heveling einfach nur nicht mehr Aufmerksamkeit zukommen lassen, als er eh schon nicht verdient hat. Zumal dieser Wortakrobat beim Jonglieren mit der Sprache reziprok zum eigentlichen Thema in Erscheinung tritt. Daher weg von den Christdemokraten, zurück zum Anspruch:
Meine ganz persönliche Aufholjagd nimmt langsam Formen an, um nicht von euphorisch zwanghaften Ausmaßen zu sprechen.

Am Arsch

Persönliche Aufholjagd - Dicht auf den Fersen oder voll am Arsch

Im mittlerweile fünften Beitrag dieser Woche, will ich mich dem wahrhaft grandiosen Thema des Projektes “52 Bücher – Woche 4″ widmen:

Der schönste Satz

Das absolute Meisterwerk, eine Ansammlung an herausragenden Sätzen und Quelle für einen immensen Anteil von bekannten Sprichwörtern, idiomatischen Wendungen oder Bezeichnungen, die sich bis heute hartnäckig in der deutschen Sprache halten und bewähren, stammt aus der Feder eines der größten deutschen Dichter aller Zeiten. Ständig stolpert man in Goethes Faust über hochmoderne Konstruktionen, die für uns Sprachalltag darstellen, aber hier tatsächlich zum allerersten mal Eingang in den Sprachschatz fanden. Olle Johann Wolfgangs geballte Pranke hat sich Miss Monstrum allerdings wohlweislich gleich geschnappt. Natürlich wäre es bei einem Werk, dass vor schönen Sätzen nur so strotzt, ein Leichtes, einfach wahllos eine andere Seite aufzuschlagen und dort zu zitieren, aber ganz so einfach und reduziert möchten wir uns dann lieber doch nicht aus der Affäre ziehen. Bevor ich deshalb aber zu einem anderen Werk mit wunderbaren Sätzen schreite (es sollen ja durchaus noch mehr geschrieben zu Papier gebracht worden sein – oder mit anderen großartigen “schönste Sätze zum Thema schönster Satz”-Worten), hier eine kleine audiovisuelle Ergänzung zum Faust – kann ja eh nie genug sein. Es folgt also eine kurze Modernisierung, um auch künftige Generationen für die zeitlose Aktualität des Klassikers zu begeistern:

Kommen wir also endlich zum oben angekündigten sozialen Engagement und einem tränenreichen Talkshow-Klassiker:

Familienzusammenführungen

Die gute Tochter unseres nächsten Talkgastes hat uns bereits am Valentinstag das Herz mit romantischem Zeug geöffnet. Meine Damen und Herren, wir dürfen sogleich in unserer illustren Runde den herausragenden Vater der Moderatorin und Schriftstellerin Sarah Kuttner begrüßen, damit er seinen schönsten Satz zum Besten gibt und anschließend flugs wieder die Bühne verlässt, um die Ästhetik des Gesamtkonstrukts durch seine flüchtige Erscheinung zu unterstreichen. Quasi symbolisch für die Vergänglichkeit des Momentes.

Kuttner, Philosoph

Applaus für den Radiomoderator der Herzen (zumindest meines), den herausragenden Philosophen des Sprechfunks, den Regisseur, Erfinder und Tausendsassa KÄPTN KIRK KUTTNER!!!

Die Geburt des radikalen Islamismus aus dem Hüftspeck des deutschen Schlagers: und andere west-östliche Denkwürdigkeiten

So schonmal der Titel des Werkes, in welchem sich die schönsten Sätze nur so die Klinke in die Hand geben, über den Haufen rennen und gegenseitig eins über die Rübe ziehen. Moment mal – *kurze Vollbremsung* – wieso wird mir erst jetzt bewusst, dass eben diese Schlagzeile eigentlich auch eine Punktlandung in der Rubrik bescheuerte Buchtitel gewesen wäre? Offensichtlich geblendet von zuviel Schönheit fahre ich wohl besser fort mit der nicht ganz einfachen Auswahl der umwerfendsten Aneinanderreihung von Worten dieses Meisters der Sprachkunst. Wem diese Schwärmerei übrigens langsam zu schwulstig wird, der sollte wirklich mal versuchen, die Kodderschnauze live zu erleben, ohne vorm Schöngeist dahinzuschmelzen.

So Mist! Verrannt! Ich mach mir ja immer Elselsohren in die Seiten, welche grandiose Sätze enthalten – dementsprechend sieht Kuttners Buchgewordene Betrachtung der deutschen Fernsehlandschaft auch aus. Ein Werk, welches “eine Propädeutik, eine Handreichung, eine Sehhilfe sein” will, “die es Ihnen ermöglichen soll, dem vermeintlich hirnlosen Treiben auf dem flachen Bildschirm eine tiefere geistige Dimension abzuringen“. Dank der Eselsohren habe ich das Standardformat eines Buchen eigenhändig revolutioniert: Von viereckig auf fünfeckig mit einer herabfallenden Kante oben rechts.

brillianter wortwitz

kleine Veranschaulichung - unter Zuhilfenahme technischer Hilfsmittel in Ermangelung meiner Kamera

Macht die Auswahl aus einem Werk, dass der Autor selbst als ” den Versuch, [...] die Deutungshoheit über die Historie und ihre Bilder von den Kathedern der Universitäten, den Redaktionsstuben selbsternannter Meinungsmacher und nicht zuletzt den T-Shirt-Produzenten zurückzuerobern” bezeichnet.

Ich treffe meine Auswahl also mal spontan nach persönlichem Interessenschwerpunkt und da sticht mir doch gleich das erste Kapitel zur Emanzipation ins Auge (tut dank der konsequent fehlenden Ecke aber kaum weh).

Kapitel 1
TALIBAN IM TELETEST
oder
DIE FRAU IM RÜCKSPIEGEL MÄNNLICHER OHNMACHT GESEHEN

Ich versuche jetzt einfach mal anhand einer Aneinanderreihung der schönsten Sätze hieraus, einen Geschmack vom brillianten Wortwitz dieses epochalen Genies der pointierten Beobachtung zu vermitteln – man verzeihe mir die ausschweifende Definition von “Der schönste Satz” – die Vernachlässigung des Singulars ist lediglich dem Widerwillen geschuldet etwas aus dem Zusammenhang zu reißen. Ohne Kontext keine Schönheit – Ohne Gut kein Böse.
Zunächst muss natürlich erklärt werden, warum er sich bei einer kritischen Auseinandersetzung mit der Kultur des Fernsehen den Frauen widmet:

Große Männer werden ja in den Annalen immer über die Zahl der Toten definiert, die sie verschuldet haben: 5 Millionen oder 20 Millionen; – Frauen dagegen über die Zahl der Schuhpaare in ihrem Schrank. Nehmen wir nur einmal Imelda Marcos: 1000 Paar besaß sie angeblich. Manche behaupten sogar, 4000, aber auch wenn es nur 500 gewesen sind – im kollektiven Gedächtnis hat Frau Marcos einen Stammplatz. Ihr Mann dagegen, der einst gefürchtete philippinische Diktator Ferdinand Marcos, ist heute so gut wie vergessen, und das, obwohl man ihn im Norden des Landes bis heute in einem Glassarg bewundern kann. Aber – und das lehrt uns schon der Fall Lenin – selbst die größte Sepulkralleistung verpufft vor der manipulativen Kraft der Medien: Einmal mit der Kamera übers Schuhregal geschwenkt, und schon sind 10000 hingemordete Filipinos vergessen!

Soweit, so nachvollziehbar – die Darstellung der Reduzierung des Frauenbildes ist hierbei jedoch noch nicht auf ihrem vorurteilsbeladenen Höhepunkt angelangt – daher zur Ursachenforschung:

Womit wir nach einem kurzen medienhistorischen Exkurs wieder beim eigentlichen Thema wären – der Frau. Küche ist da diesbezüglich natürlich ein höchst problematisches Stichwort. Aber wenn wir ehrlich sind, stellt für Männer alles, was irgendwie anders ist – ob schwarz, behindert oder weiblich –, eine Bedrohung dar und muss deshalb entweder in der Beschreibung domestiziert werden, oder es muss in einem klar abgegrenzten Reservat bleiben: Schwarze im Benetton-Katalog, Tote auf dem Friedhof und Frauen eben in der Küche.

Kuttner widmet sich in seinem Werk sozialisationsbedingt hauptsächlich Sendungen aus dem DDR Fernsehen und gestaltet den Übergang zum Anschauungsobjekt, einer Aufklärungssendung für junge Frauen folgendermaßen:

Der Osten kam ohne die Frauen nicht aus und konnte ihre Arbeitskraft nicht in den Küchen gesamt-gesellschaftlich nutzlos verpuffen lassen

Eine situative Beschreibung von Setting und Ablauf der besagten Fernsehsendung, wird von Hintergrundbetrachtungen wie dieser durchbrochen:

Aber das eigentlich Bizarre ist der Aufklärer, der wie ein gerissener Neufundländer vor dem Schappi-Napf sitzt und den leckeren Fleischbrocken erklärt, wie sie sich vor den gefräßigen jungen Hunden schützen können. Vielleicht trifft man die Situation noch besser, wenn man sich jenen Grimm’schen Wolf vorstellt, der als Geiß getarnt an die Tür der alleingelassenen Zicklein klopft: Also der Mann hat pfundweise Kreide gefressen, aber seinen Hormonhaushalt trotzdem nicht ganz im Griff; ihm wird der Mund trocken, und er muss sich hin und wieder die Lippen lecken, während er seinem Aufklärungswerk frönt.
Man sieht aber auch, dass er bei dem Versuch, größtmögliche Nähe herzustellen, um den Jungfrauen ihre Situation zu erklären, die Hierarchie nie aus den Augen verliert. Er ist derjenige, der vorne sitzt, er ist der mit allen Wassern gewaschene Mann, der Auskenner. Dessen ist er sich natürlich bewusst, und das verleiht seinem Antlitz auch so einen seligen Gourmetausdruck, während die blühende, ahnungslose Unschuld an seinen Lippen hängt oder hängen sollte. Sein Versuch, gleichberechtigte Verhältnisse herzustellen, scheitert. Wenn man nicht im Fernsehen der DDR wäre, könnte man vielleicht darauf hoffen, dass er seine Kreide auskotzt und sich mit fletschenden Zähnen ins Auditorium stürzt.

Geschichtliche und politische Parallelen werden gezogen, welche vielleicht den ein oder anderen überfordern oder langweilen könnten, weshalb ich sie mal eben weglasse und alsbald zu den prognostizierten Folgen, der durch den sogenannten Aufklärer geschilderten Inhalte,kommen möchte:

Nicht genug, dass die DDR-Frauen am Hochofen standen, an Mopeds rumschraubten und die Kugel doppelt so weit stießen wie ihre Landsmänner – nein, jetzt saßen sie auch noch, triumphierend «Sowjetunion – njet, mein Sohn!» trompetend, im Bett und zogen zittrige, schwitzende Knabenhände unbarmherzig aus ihren Schlüpfern vom volkseigenen Damenuntertrikotagenwerk mit Namen – richtig! – «Clara Zetkin»

Und auch wenn nun der ein oder andere vielleicht schon entnervt weggeklickt hat, möchte ich doch das zielgenaue Fazit, welches mir persönlich so aus der Seele spricht, nicht schuldig bleiben:

Ich bin immer wieder erstaunt, dass man sich über das Frauenbild der Taliban so wundert. Der wesentliche Unterschied zu dem unsrigen ist doch kaum mehr als ein technologischer: Was dem Taliban die Burka, ist der deutschen Öffentlichkeit Photoshop mit seinem Rote-Augen-Werkzeug, dem Sofortreparatur-Pinsel und der Möglichkeit, Frauen bis in eine Farbtiefe von 48 Bit nachzubearbeiten. Insofern würde ich für programmatische Bildbearbeitungsbomber für Afghanistan plädieren; Photoshop-Kurse in pakistanischen Ausbildungscamps!
Und um Max Horkheimer zu variieren: Wer von den Taliban redet, darf von Mario Barth nicht schweigen. Unbeachtet von der Öffentlichkeit gelang es dem, mitten in der deutschen Hauptstadt, im Olympiastadion, 70000 geistige Selbstmordattentäter zu versammeln! Kein Bundesinnenministerium schreitet ein, kein Krisenstab beim Kanzleramt interveniert, kein Irren-Experte, kein Scholl-Latour wird um Rat gefragt. Selbst Hendryk M. Broder, Maxim Biller und Durs Grünbein schweigen!

Keine Ahnung, ob das Gesamtkonstrukt nun überhaupt noch nachvollziehbar ist, aber manches kann irgendwie auch so für sich stehen bleiben. Der schönste Satz ist für mich hier jener über Mario Barth, welcher zwar auch ohne die anderen schon eine gewaltige Qualität besitzt (also Satz, nicht Barth), aber im Gesamtzusammenhang schlichtweg ein Bouquet entfaltet, um welches edelste Weine der besten Jahrgänge jene Wortperlen beneiden würden.

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

*