Rezension zum Club der polnischen Versager

Lesen nach AlphabetDer Club der polnischen Versager hat seit Ende 2001 eine feste Lokalität gefunden. Nämlich unweit des Café St. Oberholz, dessen literarische Auswüchse ebenfalls erst kürzlich hier vorgestellt wurden (Bald schreibe ich nur noch Artikel zu Büchern, welche auf den Erfahrungen diverser Berliner Institutionen beruhen – so! Wäre immerhin mal ein Schritt Richtung Spezialisierung.). Zuvor war jener Club eine …eine …ja was eigentlich? Eine Ansammlung polnischer Versager? Ein aufgewecktes Häufchen Menschen, welche irgendwie nicht so recht in die “Mitte der (erfolgreichen) Gesellschaft” passen wollte? Eine Idee zur Erforschung und Verbesserung deutsch-polnischer Beziehungen? Genau diese unvollkommene Definitionsmöglichkeit macht diesen Club sicher zu genau der Besonderheit, die er heute noch ist. Irgendwie wahrscheinlich von allem ein bisschen. Lockeres Konzept, Spielwiese, Anlaufstelle für unterschiedlichste Menschen, kulturelle Begegnungsstätte. Den Club mit dem ansprechenden Namen gibt jedoch nicht nur als undefiniertes Etablissement im Herzen Berlin. Der Club der polnischen Versager, kann sogar virtuell besucht werden und seit kurzem sogar in handlichem Taschenbuchformat mit sich herumgetragen werden.

Das Buch zum Club der polnischen Versager

rezension club polnischen versagerAdam Gusowski und Piotr Mordel gründeten ihn 2001, den sagenumwobenen Club der polnischen Versager. Wie es dazu kam, was die beiden Autoren, Schauspieler & Filmschaffenden überhaupt von Polen nach Berlin trieb, und wie das so ist mit der wirklich merkwürdigen Beziehung zwischen Polen und Deutschland, das schildern sie hier auf wirklich amüsant entrückte Weise. Das Buch handelt von den Tücken der Deutschen Sprache und dem Deutschen Desinteresse oder der Überforderung an der Polnischen Landessprache. Der Fokus den Adam und Piotr hier auf die beiden Kulturen werfen, gleicht einem Flickenteppich an Kuriositäten. Es geht um irgendwie alles: Ein wenig Fußball, Arbeitsmoral, Versagensängste, den Papst – also eigentlich um beide, den Polnischen und den Deutschen, um sprachliche Besonderheiten & lächerliche Dialekte, um absurde Frisuren und darum, wie es sich anfühlt Pole und insbesondere Pole in Deutschland zu sein. Die Recherche dazu erschien wohl vor allem auf polnischer Seite überaus schwierig, denn eine These des wunderbar bekloppten Werkes ist, dass Polen sich am liebsten unsichtbar machen wollen in Deutschland, es scheint eine Art tiefsitzende Scham damit verbunden als Pole entlarvt zu werden, so jedenfalls die Autoren. Das Buch lässt die Lesenden beide Kulturen unter einem wirklich charmant dämlichen Gesichtspunkt neu entdecken. Auf diese Art habe zumindest ich weder Deutschland noch Polen wahrgenommen – naja zumindest nicht so intensiv. Mal stichelt das Werk, mal klingt es versöhnlich und am Ende ist alles wunderbar unklar was die Polnisch-Deutsche Beziehung angeht. Oder um es mit dem Klappentext zu sagen:

Muss man sich erst noch kennenlernen, oder kann man sich schon nicht mehr sehen? Kann daraus irgendwann eine Liebe werden? Oder nur eine kriselnde Ehe kurz vor der Scheidung? Was ist mit der Völkerverständigung?

Viel Aufklärung bietet das Werk bei diesen Fragen wahrlich nicht. Dafür aber eine Menge interessanter Einblicke in dieses verworrene Beziehungsgeflecht aus Unsichtbarkeit & Ignoranz, aus schamhafter Rücksicht auf scheinbare Unterschiede und progressiver Gleichmacherei.
Das Buch schildert neben den individuellen Geschichten, wie Adam & Piotr ins Land kamen, wie sie sich an Deutschland annäherten auch die Gründung des Club der polnischen Versager. Ein ganz notwendiges Resultat aus all den kruden Annäherungsversuchen und deren scheinbarem oder auch tatsächlichem* Scheitern.

*eine der rührendsten und dennoch aberwitzigsten Geschichten, war für mich hier die eines polnischen Priesters, der in ein Brandenburgisches Dorf “exportiert” wurde. Überaus empfindliches Exportgut, diese polnischen Priester, in Polen nahezu als Rockstars gefeiert, spielen sie in Deutschland vor ungewohnt leerem Haus. Aus Mangeln an Sprachkenntnissen übersetzte jener Priester seine Predigten mit Google-Translator (möglichst mehrfach hin und her, da sie so wohl etwas überaus liturgisches bekamen). Das Ergebnis sollte sich jeder, welcher einmal einen Satz in die Übersetzungsmaschine geworfen hat, ausmalen können, aber die tragische Schönheit jenes kleinen Einblicks ging mir Tage nicht aus dem Kopf.

2 Responses to 'Rezension zum Club der polnischen Versager'

  1. Also, der Keller-Club sieht wirklich gemütlich aus – ein schöner Laden, würde ich aus der Ferne meinen. Auch die Eröffnungs-Uhrzeit ist sehr markant makaber; falls sich die Digital Nativs noch an die Nebensächlichkeit des 2. Weltkrieges erinnern können. Bei der Generation Faceb**k habe ich da (fast) keine Hoffnung mehr … Also, den Krieg nicht aus eigenem Erleben, sondern überhaupt … natürlich. Und was die Völkerverständigung zwischen Polen und Deutschen angeht, da kann man nur hoffen. Die Idioten und Scharfmacher auf beiden Seiten haben derzeit leider noch viel Publikum …

    • DillEmma says:

      Och ich glaub, die Uhrzeit sollte zitatbedingt schon noch im kollektiven Gedächtnis weilen. Irgendwo war noch ne andere Uhrzeit, also im Buch, für eine der regelmäßigen Veranstaltungen 20:34 oder so ….die sorgte allerdings für mehr Wirbel, zumindest auf polnischer Seite, da wohl der Johannes-Paul II in jener Minute zum Boss zitiert wurde… oder eine urbane Legende ….so genau will ichs lieber gar nicht hinterfragen :P

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