Frollein Leben, die Rechnung bitte

LesenAls ich am Hin- & Herüberlegen war, ob und wenn ja wie ich die verstrichenen Themen der Projekt “52-Bücher” aufhole ließ ich meinen Blick über die Themen- und anschließend über die Teilnehmer-Liste schweifen. Und was erblickten meine gerade erst von Grippe genesenden, freitaglich arbeitsmüden Augen? Ich habe eine Verpflichtung gegenüber der Literatur und der Semiotik …oder zumindest einem abergläubisch Auswuchs darin, welcher wohl treffender mit der Mystifizierung der Zahlen oder Numerologie zu übertiteln wäre – aber das würde zu pseudowissenschaftlich und herabwürdigend meinen Ansinnen gegenüber klingen.

Genug der Verklausulierungen! Tacheles: Ick bin Nummer 52 der Liste zum 52 Bücher Projekt. Wenn dies mir nicht Zeichen genug zur Aufholjagd sein sollte, was dann?

Die Zahlen im Blick

Einen Blick auf die Zahlen geworfen und die Zeichen erkannt, Numerologie und Semiotik gehen Hand in Hand. (das reimt sich und was sich reimt ist gut, sagt der Pumukl)

Daher wird nun geruhsam das Feld von hinten aufgerollt. Beziehungsweise von ganz vorne:

52 Bücher – Woche 1

Das Projekt fing extrem harmlos an (die fiesen Themen hat das Monster erst später aus der Tüte gezaubert – so wie diese Woche, aber dazu im nächsten Artikel)

Das Buch, das du zur Zeit liest

In meinem Fall ist dies das Werk von Jörn Klare, 1965er Baujahr, also der Autor, denn das Buch ist aus dem Jahre 2010 und vornedrin steht, dass ich bis zum 25. Mai 2010 keine Rezension veröffentlichen darf, da es sich um ein hochgradig geheimes Leseexemplar handelt. Daraus schließe ich, dass ich es aus meiner Praktikumszeit in einem wunderschönen Verlag stammt, welches zwar nicht mit Geld vergütet wurde, dafür jedoch meine Bücherregale einem großen Belastungstest unterzog. Die armen Praktikanten hatten nämlich Vorrechte bei der Aneignung der aussortierten Schwarten aus dem Lektorat und wurden allesamt bei der Verteilung der Vorabexemplare zuerst bedacht. Ein Traumjob!

Das Buch trägt den Titel:

Was bin ich wert? – Eine Preisermittlung

Der Autor gerät während seiner weltweiten Tätigkeiten als Reporter unter anderem zum Thema Menschenhandel mit dem Gedanken aneinander, dass Menschen neben einem emotionalen und ideelen Wert auch einen monetären Wert besitzen. Diese Feststellung scheint ihn zu martern und irgendwie auch sein Ego zu kitzeln. Jörn Klare begibt sich auf die Suche nach einer Formel zur Berechnung eines Menschenlebens am Beispiel seines eigenen. Die Odyssee beginnt zunächst im Nebenzimmer, wo er seine Frau fragt, was er ihr wert wäre, die Antwort “alles was ich habe” erscheint aber rein intellektuell nicht wirklich befriedigend auszufallen. So werden Betriebswirte, Ökonomen, Versicherungsagenturen, Politiker, Gerichte, Das Bundesamt für Statistik, das Straßenbauamt , Ethiker, Philosophen, der Typ, welcher die Hinterbliebenen von 09/11 auszahlte, Menschen, die Geiselverhandlungen durchführen und sonstige vermeintliche Autoritäten zu Rate gezogen. Auch medizinische Instanzen von der Samenbank, Apothekerin, Hausärztin, Medikamententestzenter bishin zum Chef der Körperweltenausstellung “Dr. Tot” himself und eine Menge mehr werden in diese Preisermittlung miteinbezogen.

Was bin ich wert

Nüchterne Aufmachung - trocken gefragt - lebendig geschrieben - gemischte Gefühle bei der Ergebnisbetrachtung

Ich scheute mich eine ganze Weile diese Lektüre zu mir zu nehmen. Schlichtweg, weil ich generell dazu tendiere, einen großen Bogen um Mathematik & Wirtschaftsökonomie und solchen Kram zu ziehen. Der Ausflug lohnt sich bisher aber. Denn das Ding ist in keinster Weise trocken beschrieben, sondern die scheinbare Naivität, mit der jener Herr Klare an die Interviews herangeht und die Befangenheit, mit welcher die Protagonisten oftmals reagieren, lässt verdammt tief blicken.

Die Ergebnisse und Stationen sind teilweise saukomisch und irreal, teilweise wiederum sehr beklemmend, niederschmetternd bis sogar angsteinflößend. Die einzelnen Theorien und Berechnungsansätze scheinen, trotz ihrer Umstrittenheit und Verschiedenheit in den verschiedensten Branchen sehr weit verbreitet. Und was man nicht alles erschreckendes lernt. Von der Existenz und der Anwendung des WSL (Wert eines statistischen Lebens) sowie den Auswirkungen, von der Ressourcenbeschränkung in der “Knappheitswissenschaft”.

Schön finde ich auch, dass olle Jörn scheinbar in Berlin ansässig ist und man die eine oder andere Örtlichkeit und sogar Mentalitätscharakteristika wiedererkennt. 267 Seiten voller spannender Entdeckungen und bezaubernder & zwischenmenschlicher Beobachtung am Rande der Recherchen.

Konkrete Zahlen kommen an manchen Stellen übrigens auch bei rum, falls sich jemand der ernüchternden oder gar bauchpinselnden Wahrheit mal stellen will. Unter anderem auch eine rein chemisch gesehene Liste, Schmerzensgeldtabellen, eine Kostenaufstellung bei der “Judenverwertung” aus der KZ-Bürokratie und eine Kostenwerttabelle nach Alter Geschlecht und Bildung von 1883 sowie etliche Kuriositäten mehr.

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