Genre-Grenzen einreißen

Projekt 52 BücherDas politische Thema muss diese Woche ausfallen, wegen is’ so. Dafür schmeißt das Monster uns einen dicken Brocken hin (Zeitformen & Kontext bitte eigenhändig anpassen beziehungsweise ergänzen. Dieser Artikel liegt hier schon ne ganze Weile rum und ich möchte ihn nicht allzu sehr schütteln – Staublunge und so…)

Ein bestimmtes Genre

Ich bin ja ein außerordentlich ordentlicher Mensch. Ich sortiere meine Bücher tatsächlich: Die Regale nach Inhalten und die einzelnen Regalbretter dann nach Größe, Symmetrie und derlei. Solch zwanghaftes Verhalten lege ich allerdings nur bei den wirklich wichtigen Dingen in meiner Umgebung an den Tag. Demnach muten also sowohl Bücherregale als auch Kühlschrank-Innenleben wie kleine penible Inseln im sonstigen Chaos an.

Wie ich versuche den gewaltigen Bücherbergen mit meinem rigiden Ordnungssinn beizukommen

Mit festgelegten Genres habe ich es nicht so. Vielmehr sortiere ich schlicht thematisch. So sind meine liebsten wie vollsten Regale sortiert nach: Sprachwissenschaft, Philosophie, “Rebellen & Kriminalisierten”-Literatur, Bücher zur Shoa & Faschismus im Allgemeinen und natürlich Feministische Literatur. Allerdings birgt auch diese Ordnung so ihre Tücken. Nehmen wir beispielsweise mal die “Frauenecke”: Hier finden sich die unterschiedlichsten Genres sowie Hardcorefeminismus neben ultrasexistischer Trivialliteratur (als schlechtes abschreckendes Beispiel quasi). Von dem Trivialroman “Nesthäkchen lernt häkeln” (oder so ähnlich) über populärwissenschaftliche Ratgeberliteratur (zum Zerpflücken) oder Esoterik-Gedöhns (weil wegen angeblich typisch weiblich und oft wiederkehrenden UrWeib-Motiven) bis hin zur wissenschaftlichen Fachliteratur. In jenem Regal stehen auch durchaus maskulinistische Werke & Bücher, die bei echten Hardliner_innen also sicher direkt auf dem Index landen würden. Doch genauso gehört diese Ordnung – alles was thematisch mit diesem Wissensgebiet in Berührung steht und sich nun, ob gewollt oder ungewollt, weil es eben in solch krassen Gegensatz mit jener Thematik steht, damit auseinandersetzt, wird ins Regal geräumt.
Dieses Arrangement ist allerdings manchmal etwas schwierig aufrecht zu erhalten. Denn gerade Bücher, welche sich dem Holocaust, aus welchem Blickwinkel auch immer, nähern, erzählen oftmals auch von den großen und kleinen Widerständigen jener Zeit. Auch das Gebiet der Geschlechterforschung (ja in der Frauenecke stehen nicht nur Frauen, sondern auch Männer und sogar alles dazwischen sowie darüber hinaus) ist ja ein durchaus weitläufiges, kollidiert daher manchmal mit der Philosophie, mal mit den Sprachwissenschaften oder spiegelt auch mal die Frauen im Ghetto, Widerstand, auf nationalsozialistischer Täterseite etc. wieder. Ja, so ist das irgendwie mit all diesen Ordnungskategorien. Furchtbar!

Zufällige Wahl eines Lieblingsgenres

Krimis sind nicht so mein Fall. Ich habe bisher auch lediglich genau ein Exemplar dieses Genres gelesen. Der war auch gut und die restlichen Bände dieser Reihe haben es daher sogar auf meine Wuli geschafft. Doch an und für sich interessiert mich das Rätselraten aus Sicht der Ermittler weniger als das Haken-Schlagen aus der Perspektive der Kriminellen und die Auseinandersetzung mit so etwas wie Moral im allgemeinen. Ich glaube, der Überbegriff heißt Gangsterroman oder so etwas in der Art. Doch ich bevorzuge lieber das selbst erdachte Etikett “Literatur der Kriminalisierten”. Gesetz, Gerechtigkeit & Moral schwingen schließlich nicht zu jeder Zeit und allerorten im Gleichklang. Dank der Kriminalisierung politischer Radikalisierungen, welche vorgeblich hauptsächlich in Regimen anzutreffen sei, ist dieses Ungleichgewicht ja auch selbst den behaglichsten Gemütern durchaus in irgendeiner Wahrnehmungsecke bewusst. Wobei sich vermeintlich freiheitliche Staaten gern recht hochnäsig und nicht ganz uneigennützig oftmals die Definitionsmacht eines sogenannten “Regimes” vorbehalten. Ab diesem Punkt wird das Rechtsbewusstsein dann spätestens auch schon mal komplizierter, aber eben auch spannender. Aktuellstes Beispiel für die Auslegungssache von Recht & Gerechtigkeit, Diktatur und “freie” Demokratie liefern derzeit die ganzen diplomatischen Geschichten um Edward Snowden – dazu gefiel mir dieser Tage besonders ein kleiner lakonischer Kommentar meines liebsten Ex-Radiomoderators, der wiedermal gewieft so vieles auf den kotzenden Punkt bringt und dem ich daher das klare Schlusswort in meinen wirren Darstellungen überlassen möchte:Recht Gerechtigkeit Kuttner
Sorry Kutti, aber ich will noch kurz anmerken, dass sich natürlich nicht nur politische Kriminelle in jenes von mir bevorzugte Genre verirren. Auch wenn alles doch irgendwie Politik ist, weil eben politisch geregelt (da ist es wieder, das inhaltliche Differenzieren mit seiner erbarmungslosen Grenzenlosigkeit). So finden sich darin dann auch Drogenbaron_innen, Waffenschieber_innen und sogar Vergewaltiger_innen (wobei sich mein Identifikationspotenzial mit letzteren, wömöglich verständlich in Grenzen hält).

4 Responses to 'Genre-Grenzen einreißen'

  1. Fellmonsterchen says:

    Interessant, so ein ähnliches System hatte ich auch schon mal. Momentan bin ich ganz langweilig bei einer halbwegs alphabetischen Ordnung, aber ich muss eh mal wieder die Bücher alle umsortieren, das mache ich alle paar Jahre mal…

    • DillEmma says:

      Alphabet hab ich auch mal probiert, aber dann sucht ich nach einem bestimmten Titel und weiß den Autor nicht, und wenn ich dann nach Titeln alphabetisiere, dann reißt es einem die Reihen oder Sinnhaftigkeit auseinander …Büchersysteme sind echt ne Wissenschaft für sich (jaja, Bibliothekswissenschaft, aber das nur zum Ordnung halten studieren? Und selbst die scheitern ja, da fanden sich dann meist die wirklich gerade benötigten Werke auch nie :P )

      Umsortieren mach ich dann aber auch hin und wieder mit hoher Akribie und vermeintlich genialem Plan dahinter. Läuft jedoch nur zu häufig darauf hinaus, dass ich mich die darauffolgenden Wochen noch mehr verirre ;)

      • Fellmonsterchen says:

        Den Autor nicht mehr zu wissen, würde mir eigentlich wenig Angst einjagen, da ich ja meine epochale Excelliste für meine Bücher habe — wäre ich bloß nicht irgendwann zu faul geworden, Neuzugänge einzutragen. Grrmpf. Böses, faules, blödes Monster. :-(
        Aber ich denke, der November wird dieses Jahr Projektmonat für Umsortierung der Bücher, und vielleicht aktualisiere ich dabei meine Datei…

        • DillEmma says:

          Ich erstarre in Ehrfurcht, dass ein Monster schon Monate voraus plant :o ….angesichts der bloßen Existenz einer solchen Excel-Liste, sei sie auch noch so inaktuell, sowieso!

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