Nächstes Halloween

Oh, was habe ich die Kinder vor einigen Tagen wieder beneidet. Nicht jenen blutüberströmten Dreikäsehoch, welcher “Süßes oder Saures” röchelnd die Kaufhalle stürmte und von der bulligen Kassiererin mit “SAURES! …bei mir jibt’s nur Saures!” niedergebrüllt wurde. Die Schockstarre des Kleinen löste sich unter dem großen Gelächter der Warteschlange zunächst ein wenig und er wagte – dummerweise – einen zweiten vorsichtigen Vorstoß: “Dann nehme ich das Saure?”, piepste es bittend neben jenem Waren-übers-Laufband-ziehenden Walroß, was sich prompt umdrehte, bereits angeheizt durch den Jubel der Einkaufenden: “Dann kannste hier die Fenster putzen! Mitta Zahnbürste! Zur besten Sendezeit!” Diese absurde Situation ließ nun auch die letzten Kunden in hilflose Lachen ausbrechen. Offensichtlich lag hier ein Missverständnis vor. Die Kassiererin war bereit ihren Laden vor einer Attacke mit faulen Eiern unter Einsatz sämtlicher Mittel zu schützen. Wenn nötig würde sie sich gar über jedes Minimonster höchstpersönlich wälzen. Der Miniaturzombie jedoch, wusste womöglich nicht einmal um jenen Brauch oder die Bedeutung des sogenannten “Sauren”. Verstört und sicherlich auch ein wenig verängstigt, ob der immer noch bebenden Massen jener Kassenfrau zog er ab.
Ich beeilte mich mit dem Bezahlen, hechtete dem traurigen Dreikäsehoch auf die Straße nach und rief ein schroffes “Ey Kleiner” hinterher. Ich dachte, wenn ich nun im selben Tonfall wie die Kassiererin bleibe, den Ton aber mit entgegengesetztem Verhalten anreichere, dann könnte ich der negativen Konditionierung und einem frühkindlichen Trauma noch entgegenwirken. Organisiert wie ich nun einmal bin, hatte ich in dem Laden eh nichts anderes zu suchen gehabt, als auf den letzten Drücker noch einige Süßigkeiten für die erwarteten Horden abgebrochener Hexen, Monstren & Ungetüme vor der Haustür einzusacken. Ich überreichte ihm also einen Teil meiner Beute und wünschte mir nebenbei inständig auch nochmal auf der Suche nach tonnenweise Schokolade um die Häuser ziehen zu dürfen. Ich wüsste dabei wenigstens um die Brauchtümer mit Eiern und Klopapier. Die kannte ich im Gegensatz zu diesem Exemplar eines Kindes bereits früh. Ich glaube mich zu entsinnen, dass dieses Wissen “Donald Duck”-Comics entstammte. Aus dieser Quelle hatte ich auch meine Kenntnisse über die Existenz von Pfadfinder-Vereinen, nach denen ich damals eine ebenso große Sehnsucht hatte, wie nach Halloween. Pfadfinder, tat mein Vater damals jedoch leider als paramilitärische Organisationen ab und weigerte sich, mich an so etwas teilhaben zu lassen. Ein Meilenstein, denn mein Vater hatte es nicht so mit dem Nein-Sagen. Das kam im Laufe unserer langen Bekanntschaft eigentlich nur noch einmal vor. Undzwar als ich mit fünf oder sechs Jahren unbedingt getauft werden wollte, verweigerte er sich ebenso, schwafelte für die Vergangenheits-DillEmma unverständliches Zeug von wegen Religion selbst aussuchen, wenn du alt und reif genug dazu bist. Damals fühlte ich mich uralt und überreif, verfluchte meine weltoffenen Eltern, weil ich doch nun in die Hölle käme, sollte ich vor Ablauf der Reifung zu Tode kommen. Sonst war eigentlich immer meine Mutter zuständig für das Setzen von Grenzen.

Und Halloween? – Das gab es halt einfach nicht. Hier verlief die Grenze schlicht als klaffende Realitätslücke zwischen meinen Comics und der Hellersdorfer Neubausiedlung. Wenn wir damals etwas haben oder an aufdringlich Türen klingeln wollten, dann gingen wir Papier und Flaschen sammeln. Statt “Süßes oder Saures” postierten wir uns vor den Türen und riefen artig im Chor “Guten Tag, haben sie Wertstoffe?”. Wahlweise pflückten wir auch Blumen und verkauften diese wie kleine schmierige, verblattlauste Haustürvertreter.

Ja, so war das damals. Geschichten aus dem alten Berlin. Halloween lief damals insgesamt ein wenig anders:

So aber was ich eigentlich sagen wollte: Nächstes Halloween bin ich dabei! Dazu brauche ich nicht einmal ein Alibi-Kind. Ich gehe einfach Leckerlies sammeln, mit dem Ersatzgör der kinderarmen Leute:

Dogtail

Ein Dogtail - Der erste (selbst)rührende Martini - gefunden auf webfail.at

Dieses umwerfende Ensemble könnte ich mir auch unter einer leichten Abwandlung mit einem Limettenscheibchen vorstellen. Ich weiß zwar nicht, ob die Form des Glases dann noch als standesgemäß durchgeht, doch könnte ich mir vorstellen, dass ein gewisses Monster daran seine helle Freude finden könnte. Zumal es eigentlich mit einer stabilen Abneigung gegen jedwede Kostümierung gesegnet ist.

5 Responses to 'Nächstes Halloween'

  1. Ralph says:

    Schön, Silly noch mit der fantastischen Tamara Danz! Allerdings empfinde ich Anna Loos tatsächlich als akzeptablen Ersatz; das meine ich uneingeschränkt positiv. Denn Tamara Danz bleibt natürlich einzigartig.

    Ansonsten finde ich dieses “Hallo-Ween” total beknackt. Deshalb gäbe es bei mir auch nur Saures. Müssen ja nicht jeden Scheiß übernehmen, der über den großen Teich schwappt. Wir haben nämlich KULTUR hier in old Europe, you know? Nebenbei: Ich denke, Dein Vater hat sehr vernünftige Ansichten. Ich musste einfach immer machen, was ich wollte – Grenzen hätte ich mal brauchen können. Aber nu´ isses zu spät …

    • DillEmma says:

      Ich gebe zu, mich bisher vor der Anna Loos-Besetzung ein wenig gedrückt zu haben. Womöglich ist das eine gute Kombi – so für sich genommen, aber Silly ist es halt nur mit Tamara Danz. Ich kann mit diesen Umetikettierungen einfach nicht umgehen. Nirvana ohne Kurt Cobain, Ton Steine Scherben ohne Rio, die Beatles ohne Lennon… also ich bevorzuge da eher die Holzhammermethode, Herr Waschmaschine Dunkelschlumpf: Komplettabriss und Neubau.
      Ich mag verkleiden und Unsinn stiften und Menschen nerven und Schokolade – Halloween ist da so ne Art Überraschungsei mit vier guten Sachen. Kultur hin oder her. Zumal ich gerade von einem echten Monster unterrichtet wurde, dass sogar der patriotische Anspruch bei diesen Fragen gewahrt werden kann :p

  2. Fellmonsterchen says:

    Halloween kommt ursprünglich aus Europa… Okay, dieses “Trick Or Treat” mag man in den USA ergänzt haben… *klugscheiß-Modus aus*
    Muss Halloween-Caipiglas für Rasputin basteln!!! Ich selbst muss mich ja nicht verkleiden, bin eh schon ein Monster, also alles bereit für das nächste Halloween.
    Möchte außerdem, da Du es schon ansprichst, den epochalen Halloween-Comic von Carl Barks erwähnen, in Deutsch “Spendieren oder Schikanieren”, ein Prinzip, das ich gern ganzjährig in der Anstalt einführen würde.
    Ich muss mal wieder meine Carl-Barks-Library rauskramen, ich glaube, damals, vor sehr langer Zeit, hat man in der Übersetzung auf “Halloween” verzichtet und was anderes genommen, weil zu der Zeit kein Schwein Halloween hier kannte.
    Bin übrigens auch nicht so der große Fan von dem Fest. Einiges ist ja ganz drollig, aber manches geht echt zu weit, und wenn da irgendwelche Gören anfangen, Geld zu fordern, ist Ende im Gelände…

    • DillEmma says:

      Das mit dem Geld sammeln hat sich hier bisher noch nicht durchgesetzt. Zum Glück! Naturalien sind gefragt. Aber des Schwippschwagers Stiefzwilling kennt das von “Tür zu Tür”-Gerenne und Geld sammeln tatsächlich aus seiner Jugend. Scheint eine Art norddeutscher Silvesterbrauch namens Rummelpott-Laufen zu sein. Aber das find ich auch ein wenig armselig. Kinder und Geld sollten in meiner Idealwelt irgendwie getrennt voneinander funktionieren …verdirbt irgendwie den Charme der Reinheit dieser urwüchsigen Geschöpfe, der mir immer so einen an Angst grenzenden Respekt vor den Kurzen einflößt.

      Halloween Comic Carl Barks *emsig notier*

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