Doktortitel – Vom Grabbeltisch auf den Gabentisch

LesenWir setzen unseren Bericht zur atemberaubenden Aufholjagd im Projekt der 52 Bücher bei der erlauchten Felligkeit fort.

Das nachzuholende Thema heute gliedert sich hervorragend in den derzeit auf dem Vormarsch befindlichen Frühling ein:

Weihnachten

Die Vorfreude ist riesig. Minütlich können die heiß ersehnten Schokoladen-Weihnachtsmänner, Lebkuchen & Co in den Auslagen der Lebensmittel-Fachgeschäfte eintreffen. Marktbeobachter, Kunden sowie Geschäftsinhaber sitzen elektrisiert in den Startlöchern, vor Schaufenstern und campieren in der Süßwarenabteilung.

Im Zuge dessen habe ich vorsorglich auf Groupon auch schon nach Weihnachtsgeschenken Ausschau gehalten – derzeit gibt es dort im Angebot
Doktortitel für nur 39€ das Stück. Wozu kopieren, wenn einem die Dinger schon nachgeworfen werden. Besonders begeistert hat mich die Angebotspalette an Fachrichtungen.

oktor honore causa

Man beachte, dass Universitäten lediglich Titel verkaufen dürfen, welche tatsächlich in deren heiligen Hallen erworben werden können ....ich will unbedingt einige Semester an dieser christlichen Uni studieren ...vor allem Ufologie, Unsterblichkeit und natürlich Exorzismus ....ehrenhalber versteht sich - ich pfähle dann Dämonen auch nur mit meinem goldenen Ehren-Pflock, versprochen!

 

 

Ich liebäugele ernsthaft mit einem Dr. h.c. of Exorzism, dicht gefolgt von der Option auf einen Prof. h.c. of Immortality. Wie episch ist das denn bitte?! Beide Titel zusammen würden läppische 87 Euronen beanspruchen. Das perfekte Weihnachtsgeschenk für mich! Wie überrascht und glückselig ich dreinschauen werde, wenn ich es mir überreiche, lässt mich vor gespannter Erwartung förmlich explodieren. Geben ist halt seeliger dem Nehmen.
Man stelle sich den unfassbar nachhaltigen Eindruck vor, den man mit solcherlei Titeln bei zukünftigen Bewerbungsgesprächen, Parties und FDP-Parteiversammlungen hinterließe. Allein der Gedanke versetzt mich förmlich in Advent-Ekstase.

Nun habe ich vor lauter Vorfreude und materiellen Gelüsten glatt den christlichen Gedanken des Frohen Festes versemmelt. In diesem Sinne Back to the Books:

Das unerwartete Geschenk vom Weihnachtsmann und von Frau Glück und Herrn Liebe – Eva Heller

Eines der wenigen Weihnachtsbücher, die mir einfielen oder gar bekannt sind, neben jenen eh schon viel zu oft besprochenen und erstaunlicherweise auch von jeglichen Mitstreitern des Bücherprojekts vermiedenen Klassikern.
Da versteckt sich aber auch glatt schon der kasus knaxus: Was gibt es groß zu Weihnachten zu schreiben, außer den ewig frommen Stories oder der am Fest der Liebeimmer wieder gern aus der Weihnachtsmütze oder Jesuskrippe gekramten Konsumkritik?

 

Weihnachtsfest

Die durchaus gelungene Gestaltung hat übrigens der große Michael Sowa genommen ....überstrahlt ei wenig das eigentliche Werk

Eva Heller startet in ihrer Weihnachtsgeschichte den Versuch eines Angriffs auf das geschlechtsspezifische Schenkverhalten und eine kleine Dekonstruktion von genderspezifischen Erwartungen in der zukünftigen Generation. Eigentlich mag ich die recht seicht anmutenden Werke der Autorin, welche beim ersten Blick auf die Aufmachung (Titel, Layout etc.) immer etwas verstörend in die triviale Frauen-Literatur zu rutschen scheinen, im Innern aber dann doch oft wissenswertes, entlarvendes und gesellschaftskritisches verbergen. Bei genauerer Überlegung finde ich diese Herangehensweise genial trickreich – ich ziele auf die Heimchen am Herd und infiltriere hinterrücks emanzipatorisches Gedankengut und kritische Geisteshaltungen zu Machtkonstrukten innerhalb der Gesellschaft bei denen, die eigentlich schon vom Kampfplatz der Geschlechter gegangen zu sein scheinen.
Leider ist ihre Weihnachtsgeschichte dann doch zu arg der platten Belanglosigkeit anheim gefallen. Kann dem Umstand geschuldet sein, dass die Frau Professor (Werbe-) Psychologin und studierte Soziologin hier ursprünglich versucht hat, ein aufklärerisches Kinderbuch zu schreiben und minimal mit den Ansprüchen der Zielgruppe überfordert war.
Eine Zusammenfassung der Story, schenke ich mir anlässlich des Gaben-Fest diesmal und lass das wen anders machen: Man muss ja auch nicht ständig das Rad neu erfinden, wenn’s trotzem fährt.
Die Umsetzung ist schlechtweg zu banal und leicht durchschaubar – vielleicht urteile ich auch lediglich zu stark aus Sicht eines vom Alter her angeblich Erwachsenen, allerdings vertrete ich schon die Meinung, die Auffassungsgabe von Kindern sollte nicht unterschätzt werden – sie sind ja nicht begriffstutzig und wären sicher auch mit einer etwas hintersinnigeren Symbolik klargekommen. Ich fand’s schade weil die Ansätze, die Idee an sich und auch manch schmückendes Beiwerk bei der Umsetzung durchaus Potenzial geboten hätten, hier mehr draus zu machen. Aber was soll’s, es ist ja auch “nur” eine Weihnachtsgeschichte, dafür ist sie ganz nett und ohne die Erwartungen an andere Darstellungen Hellers stellenweise auch wirklich mal ganz witzig.

Kleiner Zusatz ganz exklusiv fürs Fellmonster:
Darauf, mich heute dem Weihnachtsthema zu widmen, kam ich überhaupt erst, dank der Farbdiskussion zwischen dem Krötengeneralerich und deiner WenigFelligkeit. Die gute Frau Heller hat nämlich in ihrem Werk “Wie Farben wirken” unter anderem genau dazu, sowie eine ganze Menge anderer gesellschaftspolitisch & psychologisch beachtlicher Dinge zusammengetragen – und das lediglich am Thema Farben – monströs. Dieses Büchlein ist tatsächlich ein schönes Schmökerwerk, toll ausbalanciert zwischen informativ und unterhaltsam.

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