Dunkle Schatten vergangener Nächte

LesenFrankreich-Ukraine fällt offensichtlich ins Wasser – es stürmt und dunkelt über Шахтар Донецьк. Da kann man ruhig ein gutes Buch zur Hand nehmen und gleich thematisch am Ball der 30. Bücherwoche bleiben.

Meine derzeitige Lektüre ist ein Überbleibsel eines Schattens aus der Vergangenheit. Zumindest literarisch und filmisch harmonierten jener Schatten und ich wunderbar – alles andere hüllte er jedoch überwiegend in Düsterkeit. Das Buch ließ es sich nun einige Jahre schon unter vielen seiner Kollegen in meinen heimischen Regalwelten gutgehen, langweilte sich ab und an, gähnte dabei vor einiger Zeit zu laut, so dass es meine Aufmerksamkeit wieder erweckte.

Plötzlich erinnerte mich ich, dass es eines der letzten Exemplare war, welche der Schatten gierig in meinen vier Wänden verschlungen hatte. Vielleicht deshalb hatte ich auch nach seiner Vertreibung und mehr Licht in meinem Leben zunächst lange Zeit einen Bogen um dieses Werk gemacht und es dann wohl nach und nach vergessen. Nun da es sich wieder in mein Bewusstsein gedrängelt hatte, nahm ich es nach einiger Zeit des Umschleichens doch wenige Tage später in die Hand und begann zu lesen.

Die ersten Seiten waren jedoch ziemlich mühsam. Zwar erkannte ich sofort, welche Intention hinter dem immer wieder nur andeutungsweise eingestreuten und bruchstückhaften Voranschreitens des Geschehens steckte, doch schien mir der Autor zunächst etwas sehr gewollt Spannung und Gefahr aufbauen zu wollen, was leider eher fadenscheinig und nervig als gelungen wirkte. An sich freute ich mich fast schon über diese Feststellung, denn ich nahm an, mich wohl mit dem Lösen vom Schatten gleichzeitig auch auf anderen Ebenen weiterentwickelt zu haben.

Es war eine dunkle und stürmische Nacht…

…als der Erzähler plötzlich mehr Fahrt aufnahm, konkreter wurde und damit um einiges mitreißender. Plötzlich hatte mich der Roman nun doch beim Rockzipfel gepackt. Kurz bevor ich ihn die Ecke schleudern wollte, warf er mich um und riss mich fort.

Drogen-Dealer LiteraturDas Werk von Ingvar Ambjørnsen “Der letzte Deal” geht es also recht schleppend an – kann natürlich auch Geschmackssache sein oder gar an der Übersetzung liegen, genaueres würden sicher bessere Kenntnisse der norwegischen Sprache mit sich bringen.

In besagter dunkler und stürmischer Nacht findet die Übergabe von 50 Kilo Hasch an den Protagonisten des Werkes statt. Dazu hat er sich extra auf einer einsamen Miniinsel von etwa hundert Meter Durchmesser in dem Ferienhaus eines einheimischen Griesgrams eingenistet. Offiziell um an einem Roman zu arbeiten. Unter der Tarnung des Schriftstellers, welcher die abgelegene Ruhe zum Schreiben braucht, sucht er diesen Ort des Öfteren auf, um die Übergabe von diversen Mengen Drogen zu organisieren. An und für sich ganz geschickt gemacht, wartet er dort auf das Boot eines größeren Dealers, um mit diesem die Übergabe auf offener See an einem Zugang zum Ejsselmeer über die Bühne zu bringen. Dieses Geschäft soll jedoch sein letztes sein. Nicht weil er erwischt wird, sondern geplant. Noch einmal alles in den Jahren der Kriminalität erwirtschaftete Geld in die Hand nehmen und einen letzten großen Deal machen, um sich mit seiner Frau und deren Tochter aus dem Milieu zurückzuziehen. Doch nicht nur dieser Umstand verleiht dem Geschäft eine andere Atmosphäre als sonst. Schon das Meer ist ihm nicht gewogen, die Nacht der Übergabe wie gesagt eine thematisch ins Literatur-Projekt passende, also wettermäßig sehr unangenehm. Auch sein langjähriger Freund und Vertrauter Robert, der auf dem Schiff scheinbar anheuerte, um nach einem Knastaufenthalt wieder illegal ins Land einzureisen, berichtet dem Erzähler von seinem schlechten Gefühl bei der Sache, dass über die übliche Paranoia bei solchen Deals hinausgeht. “Irgendetwas stinkt“. Dem ist dann auch so – es läuft eine Menge schief und der fokussierte Ausstieg aus der Kriminalität konfontiert die beiden noch einmal mit der ganzen brutalen Härte und allen Unanehmlichkeiten des Geschäfts & des ganzen Drogenmilieus.

Die bedrückende und angstvolle Stimmung kommt wunderbar autenthisch rüber, lässt die Psyche nervös im Kreis drehen – nachdem der Autor endlich in seinen klaren Stil hineingefunden hat und das aufgeblasene Getue vom Anfang ablegt.

Ingvar Ambjørnsen selbst berichtet dabei wohl ein wenig autobiografisch oder zumindest mit “Täterwissen” wie man in kriminalistischen Kreisen titeln würde. Nach Erscheinen des Buches 1983 in Norwegen mussten demnach auch einige beliebte Schleichpfade der Schmuggler zunächst auf Eis gelegt werden, da der Wirklichkeitsgehalt des Romans ein wenig zu hoch war.

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  1. [...] bin ich nach diesem Artikel um eine Erkenntnis reicher: In mir steckt offensichtlich mehr Bio-Graf, als ich es mir selbst eingestehen wollte. DillEmmaPosted in: Lies!Tagged: Geschlecht im [...]

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