Ein Buch namens Dietmar

Lesen nach AlphabetACHTUNG! ACHTUNG! Es folgt eine Durchsage:

Das hier vorgestellte Buch ist hyperphänomentastogigantomantistoberaffentittengeil!

Ich bin beileibe kein_e Freund_in von Superlativen & Superlativinnen. Bei einem solch außergewöhnlichen Werk sollten jedoch jegliche Ausnahmen in Betracht gezogen werden, sowohl beim Lesen als auch beim Rezensieren.
Mit Ausnahmen gehts auch gleich weiter, dieses Wunderwerk der Literatur muss nämlich gleich für mehrere Projekte hehalten. Ursprünglich habe ich das Meisterwerk für den Buchstaben B der ABC-Challenge angedacht. Doch dieses Buch könnte wahrhaft auch hunderten von Projekten standhalten. Je mehr desto besser. Projekt 52 BücherZudem hat mich das Monsterle bereits zum heiß ersehnten Neustart der 52-Bücher eiskalt erwischt – geht ja wieder wunderprächtig los :p – mit der Frage:

Was liest du zur Zeit

Ich könnte freilich die Lektüre noch fix beenden und mich aufs nächste Werk stürzen, um fein säuberlich zu trennen. Doch nachdem ich den Großteil von Das Buch Dietmar bereits in Windeseile verputzt hatte, dabei schon an Bauchweh (lyrische Verdauungstörung durch anhaltende Lachkrämpfe) litt und langsam in Panik verfalle, je weniger Seiten noch überbleiben, möchte ich den Rest lieber möglichst langsam genießen.
Doch genug der Lobpreisungen – direkt zum Werk:

Das Buch Dietmar

rainald grebe dietmar Rainald Grebe, den wir alle kennen, verehren & lieben, stellte dieses einmalige Projekt auf die Beine. Es handelt sich um die posthume Ehrung eines grandiosen Humoristen und Freundes des Herrn Grebes, sowie der zahlreichen anderen namhaften Mitstreitern, wie Olli “Dittsche” Dittrich, Bastian Pastewka, Olaf Schubert und vielen weiteren. Dietmar Burdinski starb im Jahr 2010 und mit ihm würde seine wundersame wie wunderbare Welt untergehen, wenn sich der gute Nachlassverwalter Grebe nicht der Zettelwirtschaft Burdinski gewidmet hätte und sie samt Erinnerungen von den bekannten Co-Autor_innen an den Dietmar zwischen zwei Buchdeckel gepresst und sie dort festgenagelt hätte. Das wäre sehr schade gewesen. Daher: Danke Rainald.

Wer genau hinliest merkt, wie viel Dietmar schon in den Werken seiner Begleiter steckt. So schaffte der gute Burdinski zwar wegen langwieriger Krankheiten selbst nicht mehr den Sprung ins Rampenlicht. Doch bekannte Gesichter der deutschen Comedy hat er zu Lebzeiten bereits beeinflusst. Dietmar werkelt mit an grandiosen TV-Formaten wie Dittsche, wo er nicht nur im hauseigenen „Burdinski Bräu“-Bier weiterlebt. Auch stolpert das Lesende Subjekt immer wieder über wohlbekannte und geliebte Phrasen aus Rainald Grebes Bühnenprogramm, wie beispielsweise über Perlen à la “Es waren einst zwei Feen, von denen eine blondgelockt und beide dumm”.

Zunächst gibt es einige Texte aus dem Bühnenprogramm des Dietmar Burdinski. Auch wenn Bastian Pastewka

(Olli [Dietrich] stellte mir Dietmar eines Tages vor und das war keine gute Idee: Ich eierte rum wie eine 15-Jährige vor “dem “Wendler”, kein Gespräch, nur Fan-Floskel-Schmarrn. Ich beschloss, ab diesem Tag für immer neidisch auf Burdinski zu sein. Hat geklappt)

Burdinski bescheinigt, nicht wirklich an repetierten “Nummern” zu hängen, sondern sein Publikum charmant ungeplant bei seinen Auftritten beeindruckte. Dieser fast schon naive Eindruck entströmt so ziemlich jedem Text dieser Sammlung, jeder kindlichen Buntstiftzeichnung (“Bubus” – Burdinskis Bunstiftzeichnungen) und den so herzerfrischend fantasievollen Anschreiben an unterschiedlichste Firmen. Abgerundet wird die Sammlung noch mit kreativ-chaotischen Tagebuchaufzeichnungen. Obwohl Burdinski hierbei kaum wirklich von sich zu schreiben scheint, auch wenn manch Bezug auf den überaus trockenen Umgang mit seiner Krankheit dann doch wieder Gegenteiliges vermittelt, nimmt hier seine eigene Welt die klarsten Formen an – irgendwie real, aber irgendwo grandios falsch abgebogen.

Fazit

Ein Buch, das einem die uneingeschränkte Aufmerksamkeit in überfüllten Zügen gewährleistet.

Ein Buch, das möglichst nicht auf Anhöhen gelesen werden sollte, da die Gefahr besteht, den vor Lachsalven geschüttelten Körper bis über etwaige Abgründe hinaus nicht unter Kontrolle zu bekommen.

Ein Buch, dessen Inhalt die Lektüre ab und an durch einen Tränenschleier arg erschwert.

Ein wunderbares Werk zum Stöbern. Das funktioniert prima. Rainald Grebe empfahl in einem Interview zum Buch Dietmar etwa folgendes: Einfach irgendwo aufschlagen, über Sätze, wie Perlen stolpern und sich den Humornerv zu Tode kitzeln lassen. Das funktioniert tatsächlich – auch wenn die geradlinige Lektüre einen noch tiefer in die Burdinski-Welt saugt, wo mit staunenden Augen umhergestolpert werden kann:

Zum Beispiel Weltraumberechnungen à la Burdinski:

Wir berechnen zunächst die Entfernung von Mond zu Erde
x¹- 0 = Entfernung
Die Entfernung Erde/Mond sei x=384405
Wir setzen ein: 384405¹ – 0= Entfernung. Macht exakt 384405.
Die Entfernung zum Mond beträgt 384405, und ein Blick vom Mond zur Erde bestätigt dies.

Dann der Jupiter:

Nun bleibt es natürlich nicht nur bei lapidaren Entfernungsberechnungen. Nein! Die Formeln werden komplizierter – die Entdeckungen abgedrehter (“Richtig: Es gibt einen Jupiter. Das Sonnensystem stimmt.”) und die Stimmung beim Lesenden heller (“Halbmond mal 2 = Vollmond” mindesten so hell!).

Weitere Blätterversuche meinerseits ergeben folgendes:

Giftpilze vorsichtig pflücken, gründlich putzen, dann wegschmeißen.
Nachrichten – Wetter:

Morgen ist mit folgenden Temperaturen zu rechnen:
Plus 12 Grad plus 13 Grad minus 25 Grad = 0 Grad

Doch auch die großen Zusammenhänge sind einfach grandios. Ein Schreiben an die Firma Danone mit einer Anfrage bezüglich einer neuen innovativen Trendsportart (Betreff: Rotorsport) dem “Helikopter-Joghurting”

Mit anderen Worten unbedingt Burdinski Lesen – aber ganz langsam, so schwer es auch ist!
Einziger Nachteil: Dieses Buch namens Dietmar gestaltet den literarischen Jahresanfang schwierig. Eine solche Ausgeburt an Genialität macht es schwer für die kommenden Werke des Jahres, Anklang zu finden

21 Responses to 'Ein Buch namens Dietmar'

  1. Hört sich wirklich lesenswert an – wenn es allerdings einer Berlinerin gefällt … :-P Trotzdem werde ich es auf die WuLi setzen und danke Dir für die liebevolle Beschreibung! Die Formeln sind schon vielversprechend :-D

    • DillEmma says:

      Nach einem solchen Wahlergebnis würde ick mich aber doch arg mit lokalpatriotischen Grabenkämpfen zurückhalten :o …nee also ihr habt mein uneingeschränktes Beileid, dieses Buch kann sogar angesichts solcher Dinge Seelenbalsam sein – ein Wunderwerk :mrgreen:

      PS: ich war gleich mal bei der FDP am Stöbern und selbst da meinten parteinahe Kommentatoren ungläubig, dass da Kreuze verrutscht sein müssen – soviel Selbstkritik hätte ich denen ja nich zugetraut…

      • Ahalso, DAS ist frech: http://wahlen.kds.de/2013ltw/Daten/255000_000025/index.html SO hat ¨unser¨ Landkreis gewählt. Also wirklich. *grummel*

        • Hier unser Dorf: http://wahlen.kds.de/2013ltw/Daten/255000_000025/0002550310000.html Ein echter Erfolg, wirklich. Die CDU hatte hier mal 75%. Was die FDP allerdings derzeit erzählt, ist echt eine Frechheit! Aber ich werde mich Morgen da ausbloggen :evil:

        • DillEmma says:

          Ich hab auch tatsächlich hin und herüberlegt mir das zu klemmen, weil das war dann eigentlich doch zu tragisch um noch komisch zu sein, aber wie ich zur Bundestagswahl schon erstaunt feststellte: Die Welt sah tags drauf trotz schwarz-gelb immernoch irgendwie annehmbar aus. Und was sind schon die Alternativen… auch irgendwie düster – ist bei euch eigentlich “Die Partei” angetreten?

          • DillEmma says:

            “Samtgemeinde” oh dis klingt so weich und puschelig …aber ziemlich viel schwarz auch. Aber die Aufschlüsselung is ja schon fast niedlich – ein NPD-Wähler von 131 – der stadtbekannte Dorfnazi, is wenigstens hingegangen. Dis ja fast schon wieder süß

          • Nein, Martin Sonneborn war hier nicht präsent. Ich finde die Idee “Die Partei” zwar lustig, aber – siehe Piraten. Ist letztendlich doch ohne Substanz. Momentan steht es spitz auf Knopf – unentschieden. Am meisten ärgern mich aber die Kommentare der FDP-Heinis. Die sind völlig weltfremd oder lügen sich selbst in die Tasche. Das Ergebnis der FDP in Holzminden: keine 2% der Erststimmen, fast 17% bei den Zweitstimmen. Analog dazu das Ergebnis der CDU – nur umgekehrt. Alles klar, oder?

            • DillEmma says:

              Ich find die Idee ja nicht nur lustig und eigentlich sogar gehaltvoller als die doch vom politischer Naivität befallenen Freibeuter. Diese emfand ich bei parteiinternen Debatten zur Geschlechterfrage und der politischen Positionierung doch ziemlich miserabel. Die Titanic-Mannschaft hingegen brilliert immerhin durch tiefergehende Kenntnisse, welche bei Kritik mit Substanz guter Satire sehr brauchbar ist. Reykjavik zeigt für mich, dass Spaßparteien angesichts einer weitgreifenden Politikverdrossenheit ernstzunehmende Alternativen darstellen (sollten).

              McAllister leugnet aber auch schon grandios, dass die Parteienrettung dank Stimmenteilung irgendwie auch nur ansatzweise auf dem Mist der CDU gewachsen sei – ich nehme an, ich bin wahrnehmungsgestört…

          • Gehaltvoller als die Piraten – immer! DA sind wir mal einer Meinung *Fanfare* Aber, als das Titanic-Team noch kreativ war, war Herbert Feuerstein dort am Ruder und Spion & Spion noch witzig. Aber da warst Du noch gar nicht geplant :mrgreen: Gut, Du kannst ja nichts dafür, dass Du noch so klein jung bist :-P Im Ernst: Ich sähe auch großes Potenzial bei Protestparteien – wenn sie denn wirklich brilliant wären … Politikverdrossenheit ist ein Luxus der Demokratie – die eben tatsächlich den Nachteil hat, dass da zuviele mitmachen dürfen; wie ich als Dark Johann immer zu bemerken pflege …

            • DillEmma says:

              “Wir” hatten damals auch nur den Eulenspiegel, aber den Herbrt hab ich tatsächlich nur nach seiner aktiven Phase ab und an “nachgeholt”.
              Aber vielleicht sollte ich meinen persönlichen Anspruch an eine Demokratie rabiat korrigieren. Womöglich bedarf es nicht einmal brillanter Parteien, wenn wenigstens das Volk minimal cleverer wäre UND als solches auch von “denen da oben” wahrgenommen werden würde oder könnte. Prinzipiell find ich den Ansatz der Volkskontrolle ja nicht einmal schlecht, obwohl ich im Philosophie.Unterricht auch meist eher zur Oligarchie tendierte. Doch selbst wenn die Massen nicht blöde wären, was sie nunmal nach meinem eigenen Erleben wie Erschrecken leider doch sind, wären da immer noch wirtschaftliche und globale Verpflechtungen an denen die das liebe Demos und seine Kraten sich nur zu gern verheddern…

          • Huch – ich vergaß wohl das spitze Klammer auf Slash em spitze Klammer zu – und zwar nach klein. Würdest Du das bitte …

          • del statt em – ich bin eben verwirrt :mrgreen:

          • Brillante Parteien – diese beide Worten stehen sich feindlich gegenüber. Ausgeschlossen, solange da Menschen daran beteiligt sind. BILDUNG könnte helfen, aber da hierfür auch die Parteien eine gewisse Verantwortung tragen – ein Teufelskreis. Ich wäre ein guter Diktator :mrgreen: aber ich bin viel zu sensibel für die Politik. Und ist Demos nicht die Hure der Kratie? Gut, manchmal wechseln sie die Stellung auch. Es schließt sich also schlicht aus …

  2. Silke says:

    Oh mann, das Buch hört sich aber wirklich schöööön an! Wie gut, dass es schon auf einer der häuslichen Wulis verzeichnet ist. Werde es mit Vergnügen ebenfalls lesen – hier geht das ja. Wir sind zwar auf der (An-)Höhe, aber auch auf der Ebene, so dass mit unkontrolliertem Herunterfallen zumindest nicht unbedingt zu rechnen ist… ;-)

    • DillEmma says:

      Ich bin ja manchmal (je nach Buch) ein Im-Gehen-Leser. Dietmar hat mir einige blaue Flecke von diversen U-Bahn-Treppen, einer unvermutet aufspringenden Bäckerstüre und einer im Weg stehenden Parkbank eingebracht, aber das war es definitiv wert :p

  3. Fellmonsterchen says:

    Habe das Werk sofort mit Prio 1 auf meine Wuli gesetzt. Ja, ich priorisiere auf meiner Wuli… :-)
    FDP… Selbstkritik? Ich staune. Wenn auch nicht so sehr wie über das Wahlergebnis an sich. Das lässt mich eher fassungslos zurück.
    Ich sage nur Einstein, sein berühmtes Zitat mit der Unendlichkeit…

    • DillEmma says:

      Besagtes Zitat donnerte auch prompt in mein Bewusstsein. Fassungslos trifft es echt gut – ich hätte nicht einmal mit 5% gerechnet, aber so?!

      Ich priosiere meine WuLi auch :D – allerdings habe ich als nächstes eine kleine Pflichlektüre auf dem Plan, vor der ich mich minimal sträube, aber es war ein Geschenk von nicht einfach irgendwem. Doch vielleicht ist 2013 ja das Jahr der unvermuteten Überraschungen und ich werde geplättet sein sowie glücklich darüber, meine Vorurteile über Board geworfen zu haben :) .

  4. DillEmma says:

    Und da endet wohl auch meine Verschachtelung – bezüglich Kommentarquatsch ist das mein grö0ter Kritikpunkt am Theme (neben wenigen anderen Kleinigkeiten)

    Also so nochmal zum Herrn Johann:
    Das Bild der Hure ist mir vollends neu, aber ich kam spontan seit langem mal wieder in Mal-Laune – schade nur dass meine Finger nicht vermögen Bilder aus dem Kopf auf Papier oder gar Leinwand zu transpoertieren. Ansonsten empfand ichs fast schon als ernüchterndes Fazit und verbleibe hier mal mit dem Posting meines Lieblingslinken, der heute glech ganz verlor:

  5. Rio ist ein guter Schlusswortgeber ;-)

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