Lyrik zur Nacht

LesenGanz klar: Jetzt kommen die Glitzer-Vampire! Nana nana nana nana Batman!
Was würde besser zum gruseligen Auftakt der 41. Woche im Blogprojekt 52 Bücher bei Frollein von und zu Fellmonster passen, welches derzeit unter dem schaurigen Motto “Nachtgedanken” steht?
Aus den frühkindlichen Erfahrungen mit dem bewährten alten Gute-Nacht Märchen (in dessen Genuss offensichtlich 89% aller Teilnehmer_innen bei Fernseh-Quizshows nicht mehr gekommen sind. Märchenleser & Märchenkenner – eine aussterbende Spezies? Wie rettet sich das ZDF am besten ihre Million, wie bleibt Sat1 Millionär? Fragt die Kandidatinnen einfach, nach der Farbe von Rotkäppchen Kopfbedeckung!) erwachsen die ersten Erfahrungen mit Gruselmärchen. Vorzugsweise vorgetragen auf Klassenfahrten & in Ferienlagern und ganz ganz wichtig: Im flackernden Schein eines Lagerfeuers! Solltet ihr gerade kein Lagerfeuer zur Hand haben, tut es auch eine handelsübliche Taschenlampe. Hierbei sollte jedoch beachtet werden: Taschenlampen im Mund lassen zwar das Gesicht in einer perfekten Performance von Horror erstrahlen, es erzählt sich mit dieser Methode jedoch mehr als schwierig. Bei der lautmalerischen Untermalung eines gargelnden Ghouls kann allerdings erfolgreich kurzfristig zu jenem Stilmittel gegriffen werden.

sesamstrasse vampir

"Biss zum Erbrechen" - paukt Graf Zahl aus der Sesamstraße seit Urzeiten das kleine Einmaleins. Eine Ähnlichkeit zu zukünftigen Mathelehrer_innen ist natürlich rein zufällig.

Als lyrisch geprüfte Grusel-Memme kann ich leider weder mit genrespezifischem Fachwissen innerhalb der Bereiche Vampirismus, Dämonologie oder Mumiematik aufwarten. Einzig möglich, ist es mir, wohlwollende Hinweise an zart besaitete Seelen erteilen, ja die Finger von derartiger Literatur zu lassen, sonst sind die einzigen Nachtgedanken der nächsten Wochen bis Monate vorprogrammiert. Diese lauten dann in etwa folgendermaßen:
“Hat sich da was bewegt? Da hat sich was bewegt! Verdammt, sie werden kommen und mich holen! Bitte lass mich nur noch diese eine Nacht überleben! Wann geht endlich die Sonne auf? Alter Finne, ist das warm unter der Bettdecke!”
Die Bettdecke als irrationales Schutzschild gegen die Mysterien der Nacht. Lieber ziehen Angsthasen den Hitzetod vor statt die Gefahr einzugehen, diverse Gliedmaßen unter dem Schutzmantel der Schlafstätte hervorlugen zu lassen und damit leichtsinnig Monsterzungen preiszugeben. Ein verbreitetes Phänomen …hoffe ich jedenfalls – wenn nicht, tut bitte so als ob! Ich käme mir sonst unendlich dämlich vor …also mehr als sonst!

Horrorfilm vs. Schauer-Literatur

Literatur des Grauens (gemeint sind sowohl schlecht geschriebene Vampir-Romane, aber auch grandios geschriftstellerte Monster-Lyrik) ist oftmals um einiges gruseliger als klassische Horror-Filme. Der aktive Vorgang des Lesens muss trotz aller Spannung, Abscheu oder gar Panikattaken aufrechterhalten werden, um erlöst zu werden. Das Buch einfach wegzulegen, weil der Atem knapp wird ist der Sache nicht gerade zuträglich. Die Ungewissheit über den Ausgang jener Situation, welche die Angst schürt, lässt die eigene Fantasie schlichtweg Amok laufen. Der Kopf malt sich unerhörtes aus, was meist noch das tatsächlich geschriebene an Unheimlichkeit übertrifft. Diese Kenntnisse über jene menschliche Vorstellungskraft beeinflussen auch infaltionär die filmische Variante von Horror, Grusel & Psycho-Genre. Ursprünglich aus der Not heraus entstanden, nutzte zunächst Spielberg in dem Film, welcher ihm den Durchbruch bringen sollte, die menschliche Imagination als Basis für Schockeffekte. “Der weiße Hai” ist im gleichnamigen Schocker großteils nicht zu sehen. Ein Kunstgriff der Hilflosigkeit, das Requisit “Hai” wollte einfach weder richtig funktionieren noch echt aussehen. Spätere Kassenschlager des Horror-Genres knüpfen bewusst an Spielbergs Trick an: “Blair Witch” Projekt und zahlreiche Nachahmer erstürmen die Lichtspielhäuser. Im Zuge der immer raffinierter werdenden Nachbearbeitungen und Special Effects spaltet sich das Genre Grusel-Film nach und nach mehr in die psychischen und jene effektlastigen. Es gibt natürlich weiterhin Ausreißer wie Frankenfisch oder die Biss-Reihe… (Ja, meine Kenntnis jener Filme ist entgegen meines Angsthasen-Faktors enorm, was schlichtweg darauf zurückzuführen ist, dass es offenbar eine erfüllende Abendunterhaltung im Freundeskreis sein kann, der guten DillEmma beim Horrorfilm-Schauen bzw. Wegschauen zuzugucken).

Beim weißen Hai spielt jedoch noch ein weiterer Faktor eine tragende Rolle, der uns nahtlos wieder zu das Thema “Nachtgedanken“  anknüpfen lässt. Die Musik:
Das Ohr ist das Organ der Angst“, schrieb einst der Philosoph Ludwig Feuerbach (ich Dödel, hab dieses Zitat seit Urzeiten Oscar Wilde zugeschrieben, aber Kontrollorgan Google ist da grad anderer Meinung). Dieses Angstorgan macht nicht nur Horrorfilme beim Wegschauen oder durch die Finger gucken noch furchterregender, es erschwert auch das Einschlafen manches Mal immens. Kaum gehen die Augen zu, erwacht das Gehör. Ein Knacken, ein Knistern, ein Schmatzen ….toll Hund & Katz haben schon wieder den Kühlschrank geplündert! Früheres Einschreiten hätte vielleicht den mit Liebe gebackenen Geburtstagskuchen gerettet, war aber leider aufgrund der eingesetzten Angststarre, ob der obskuren Geräusche schlichtweg unmöglich.

Um der herausragenden Eminenz des Schlafes entsprechend zu würdigen empfehlen sich schöne Nachtgedanken: Pläne schmieden, nach einem erfüllenden jedoch unbeendeten Tagwerk. Luftschlösser bauen etc. Sich in eine solch anheimelnde Stimmung zu versetzen, bedarf schlichtweg der richtigen wie beruhigenden Lektüre:

Lyrik MorgensternIch empfehle für alle Weichnasen, Angstschläfer, Schlafgestörte, Fischköppe & Gargelkarpfen:

Christian Morgenstern: Fisches Nachtgesang

Das Gedicht, mit jener belustigend narkoleptischen Wirkung findet sich zumeist auf der Rückseite des Werkes “Galgenlieder”.

Mein Exemplar trägt zudem noch die träumerische Note eine Ausgabe aus einem untergegangenen Regime zu sein, in dem zwar einiges ziemlich verquer bis daneben lief, aber Bücher noch zu Preisen zu haben waren, die eigentlich ein Volk von Bildungsbürgern hätte fördern können ….wenn da nicht Dinge wie Zensur oder Planwirtschaft solch ursprünglich schönen gedanken entgegengestanden hätten.

Ich bemerke – allein das Erscheinen des Preises, welches sowohl zu Euphorie als auch Systemkritik sowie anschließenden auschweifenden politischen Gedankenexperimenten führen kann, überfordert den Einschlafenden doch enorm, lässt den geist nicht zur Ruhe kommen, hält wach. Daher möchte ich mit einer eleganten Gute-Nachtgeschichte des großartigen Dichters Hildegunst von Mythenmetz enden, welcher der Meinung war, Einschlafliteratur muss stinklangweilig sein. “Sie muß wie eine Wasserfolter sein, die Wort für Wort die Müdigkeit in die Hirne und herzen der leinen träufelt, denn diese sollen ja nicht künstlich aufgeregt, sondern systematisch zermürbt werden“:

Es war einmal ein Brot. Es war kein besonderes Brot. Nein, es war keins von diesen modernen Mehrkornbroten, die neuerdings in Zamonien so beliebt waren und dem Bäcker geradezu aus der Hand gerissen wurden. Es war vielmehr ein ganz gewöhnliches, leicht gesäuertes Graubrot mit harter Kruste. So lag das Brot wie festgewachsen im Regal, während seine Kollegen kamen und gingen: Frisches Kastenweißbrot, Kümmelstangen, dampfendes Kartoffelbrot, Rosinenwecken, Vielkornkruste, Nißkloben, Hefezopf, Zamonischer Zwiebelkanten, Süßer Kornheimling, Glasierter Rharbarberknoten, Fernhachenfladen, Gralsundr, Liebesknochen, Knäckeknorzen, Fettiger Weichling, Dämonenknust, Kommisknacker, Safranmeter, Florinther Pumpernickel und wie sie alle sonst noch heißen. Und kaum waren sie ins Regal gelegt, waren sie auch schon verkauft. Nicht so unser Graubrot. Dunkelgrau und unansehnlich lag es da, tagein tagaus. Woche für Woche. Monat für Monat. Und da es in der Bäckerstube schön trocken war, setzte es keinen Schimmel an, sondern wurde nur hart. Hart und härter. Molekül für Molekül entwich seine Flüssigkeit und ließ nur versteinertes Backwerk zurück: ein Molekül, zwei Moleküle, drei Moleküle, vier Moleküle, fünf Moleküle, sechs Moleküle, sieben Moleküle…..

Gute Nacht

3 Responses to 'Lyrik zur Nacht'

  1. Dehnesich says:

    Regal, in der Ode ans Graubrot, schreibt sich aber auch annerster :o

  2. Dehnesich says:

    nee nee, dit wird nur einmal am Tag der Name geändert, hab ick bei die anderen hier ooch so jehandhabt :o

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