Geschichten aus dem Untergrund (1)

Die Berliner U-Bahn. Durchaus hassenswert, überaus liebenswert. Da gehen die Meinungen selbst innerhalb ein und derselben Person oft auseinander. Ich persönlich reg mich unheimlich gern drüber auf. Ich reg mich aber einfach generell gern auf.
Gleichzeitig fühle ich mich mit diesem Transportmittel seit frühester Kindheit inniglich verbunden. Bereits in frühester Jugend faszinierte mich die Optik jener Gefährte, die ich schon damals mit Finsterbergmaden verglich, als ich noch gar nicht von der Existenz jener metallenen Erdwürmer wusste.

Tunnelpfeifer Berlin

Schwer begeistert gewesen über derart sinnentleerte (Kunst-?)Aktionen im offiziell wirkenden

Trotz diverser Wetteranfälligkeiten sowie sonstiger Macken, ist das an und für sich gute Öffentliche Berliner Verkehrssystem sicherlich mitverantwortlich dafür, dass ich entgegen immer wieder aufkeimender Vorhaben noch keine Fahrschule von innen gesehen habe. Echte Berliner_innen fahren Bahn oder Fahrrad. Mit dem Auto ist mensch hier eh doppelt so lang unterwegs. Also schuldig im Sinne der Anklage, neben den Mitverantwortlichen “persönliche Links-Rechts-Schwäche” & einer “Neigung zu temperamentvollen Ausbrüchen gegenüber allen Wesen, die nicht augenblicklich so funktionieren wollen, wie ich es ihnen mittels Telepathie doch eindeutig vorschreibe”.
Da ich die nächste Zeit doch zunächst einmal wieder vom Rad auf die U-Bahn umsteige, empfinde ich es ganz passend einige Eindrücke aus diesem spannenden Gefährt ab und an hier zu verewigen. Schon allein als Gegenmaßnahme zum geballten Schwabismus*, der mir hier ab und an entgegenschlägt. Nicht zuletzt aber auch, weil sie Leben bedeutet, die liebe Bahn.
Also das soll nun keine Hommage an “Die schönsten Bahnstrecken Deutschlands” werden. (Diese Sendung gibt es allen Ernstes sogar auf DVD! Dies musste ich einst beim Bezahlen meiner Schwarzfahrschulden feststellen! Ernsthaft, wer kauft sowas?! Wer sich nicht freiwillig meldet, den werde ich im Falle gröbster Langeweile eines Tages entlarven, indem ich mich wochenlang, bewaffnet mit Kamera neben die Vitrine mit jenen Filmkunstwerken stelle und warte!) Bei einer Fahrt mit der U-Bahn ist die Sicht auf Berlin ja überwiegend eher eingeschränkt, zumindest unter landschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet. Für leidenschaftliche Hobby-Anthropologen, Erlebnis- und gar Sensationshungrige ist sie allerdings ein wahrer Segen. Und darum geht’s. Und weil dieses übermächtige Vorwort schon viel zu lange hier in den Entwürfen schlummert (mittlerweile hat mein pedalbetriebenes Fortbewegungsinstrument, ja schon eine Reparatur und erneute Wunden, bei einem Absturz des Hinterrades in ein Schlagloch mit den Ausmaßen von etwa halb Mittelerde, erleiden müssen. Dann kam Schnee und seit gestern besitze ich also doch endlich ein Jahres-Abo , gegen welches ich mich ja eigentlich, nachdem ich jahrelang mit den preisgünstigen Konditionen für Student_innen verwöhnt wurde, ewig weigerte. Jedenfalls beste Grundvoraussetzungen stets Nachschub für Untergrundgeschichten zu beschaffen).

Fangen wir mit dem Positiven an: Letztens also geriet ich in eine fahrende, singende & schwingende Demonstration (schätzungsweise vom Refugee Protest Camp). Unterschiedlichste Beschallung & Performance in U-Bahnwagons ist zwar an und für sich nicht gerade etwas außergewöhnliches – nicht umsonst gibt es ganz bestimmt irgendwo eine Statistik, die Inhaber_innen von Monatskarten eine geringere Präsens auf “richtigen” kulturellen Veranstaltungen bescheinigen würde. Wozu auch, gibt es ja alles umsonst sowie in nicht zu unterschätzender Vielfalt im Untergrund. Doch anstatt eines Einzelkünstlers oder den ebenso häufig vertretenen Duetten oder Trios, standen strategisch gut verteilt im ganzen Abteil etwa 20 Personen klatschend, tanzend und singend:

Oh lala
Oh lélé
Solidarité
avec le sans papiers

Das Spektakel war derart ansteckend, das nach etwa ein bis zwei Stationen kaum noch ein Unterschied zwischen “echten” Demonstrant_innen und den eigentlichen Fahrgästen auszumachen war. Alles stimmte mit ein, tanzte vereinzelt gar mit, kein Mensch lehnte Flyer ab, viele stellten sogar Fragen, “Wieso?”, “Warum?” und was der Text bitte hieße. Das war schlicht schön. Und das war’s auch schon.

*Eine wunderschöne Begrifflichkeit, welche mir gestern (kann heute immer noch nachgehörcht werden) neben anderen Epochalitäten durch mein großes geistiges Vorbild zuteil wurde und die ich mir erdreistete erlaubte hier und fortan zu recyclen. Der Begriff funktioniert übrigens nach altbewährter Berliner Ignoranz: Alles, was sich geografisch weiter als 25 Kilometer (großzügige Auslegung) im Tal der Ahnungslosen Brandenburger Umland und darüber hinaus befindet, ist Schwabenländle (Ausnahmen bestätigen bei dieser nicht ganz wertfreien Zuordnung allerdings die Regel – worunter allerdings NICHT Niedersachsen fällt :mrgreen: ).

9 Responses to 'Geschichten aus dem Untergrund (1)'

  1. versuchesich says:

    also zuerst einmal “Haha, du kannst nicht Fahrrad fahren”, vielleicht sollteste dich doch mal nach inne Schule begeben, so mit zwee zusätzliche Stützräder unterm Po fährt dit sich selbst nach Mittelerde (ick rate, dit is dit mit die Haarfüßler?) um einijet unumfallericher

    und zum zweete, ja ick oute mir, ick hab zwar keene DVD jekooft, aber in den weiten des Internets jesucht und leider nich jefunden, nüscht entspannt mehr und lädt zum Fernsehpoofen als ne jemütliche Mitfahrt im Fahrerstand, in diesem Sinne “düüüüdiiiiiiiidüü”

    • DillEmma says:

      …sprach der Typ, der uff Standrädern schon n Herzkasper kricht :p
      Ick kann sogar lesend (uffjeschürftes Knie) und schlafend (Kreuzbandriss) fahren :o

      Dit Outing schockiert mich, nur wo bleibt die Überraschung? Entweder sie wurde von der Gefühlsentgleisung überfahren oder …ick hätts mir eigentlich denken könn…

      • versuchesich says:

        drauf geschrieben steht “übermäßiges trainieren ….kann zum Tode führen” weeßte bescheid wer von uns beeden neben Wagemut im Lexikon abjebildet is :o

        wollt mich soja bei der S-Bahn mal als Fahrer beworben haben, nur dacht ick mir denn, wenn dit Jefahre die selbe Wirkung hat wie dit Jekieke, dann is Essig mit an jeder Station halten, drum hab ick dit jelassen
        vorerst

  2. Silke says:

    Oh schööön. :-D Auf die Geschichten freu ich mich! In U-Bahnen im allgemeinen und in Berlin im speziellen kann man ja immer wieder dolle Sachen erleben…
    Schöne Grüße aus dem Nicht-Schwabenländle Niedersachsen ;-) bzw. von der Hocheben, die irgendwie über Niedersachsen thront und mindestens deshalb ohnehin nicht dazu zählt. Also jedenfalls manchmal. Also jedenfalls, wenn anderfalls die Gefahr der Schwabisierung besteht… *kicher*

    • DillEmma says:

      Najut bei dir lass ich das unschwabische von Niedersachsen gelten :P
      Ich wette aber fortan weigern sich alle Menschen in der Bahn sich normal belebt zu verhalten und mir gehen flugs die Geschichtenaus :mrgreen:

  3. Haha, DU bist so unlogisch, typisch Frau – DU lässt mich glatt wieder zum Sexisten mutieren: Solidarität “avec le sans papiers” – aber Vorurteile gegen die Niedersachsen pflegen und ihnen “geballten Schwabismus” unterstellen. Oder sind wir etwa legal nach Berlin “eingewandert?” In der U-Bahn – und anderen auf der Nase herumtanzen, darin bist Du groß :-P
    Aber die “Stützräder unter (deinem) Po” versöhnen mich wieder mit der Welt. Ich bin ja ein visueller Typ :mrgreen:

    • DillEmma says:

      “Deutsche” schwadronieren so gern darüber, dass sich “Ausländer” doch bitte anzupassen haben, wenn sie in “unser” Land kommen (möglichst mit dem Einleitungssatz: “Ich bin kein Nazi/Rassist, aber”). In deutscher Überheblichkeit ziehen Schwabenschwaden …oder nee anders (wozu neu formulieren, wenn die Essenz der Aussage schon getätigt sei):
      “Erst wenn die letzte Eigentumswohnung gebaut,
      der letzte Klub abgerissen,
      der letzte Freiraum zerstört ist,
      werdet ihr feststellen, dass der Prenzlauer Berg zu dem Kuhkaff geworden ist, aus dem ihr mal geflohen seid.“
      DU fällst in die Kategorie Schwabe – also schon aus Prinzip – ganz generell ….obwohl so hart kann ich eigentlich gar nicht …Doch! Da muss ich nun durch :p

  4. Das Du mich für so einen Schwaben-Spießer hälst, macht mich echt fertig :-( Aber :-P Und stammt das Zitat nicht von so einem Rapper, der sich inzwischen viele Eigentumswohnungen gekauft hat???

  5. DillEmma says:

    Nee halte ich nich …und ich unterstelle dir gar dis zu wissen ;) Also appellier nich an mein schlechtes Gewissen, dis hat ein unberechenbares Eigenleben.

    Ich kenn das Zitat nur aus den Zusammenhang, des Zugrabetragens einer der vielen Berliner Clubs, dank Eigentumswohnungsbewohnerbeschwerden. Ich weiß tatsächlich nicht auf welchen Rapper du anspielst – manche konnte ich eh nie ernst nehmen – aber den Besitz von Eigentumswohnungen würde ich per se noch nicht einmal argwöhnisch beäugen, kommt ganz drauf an, wie mit diesem Besitz dann umgegangen wird :P (auch wenn ich mal spekulieren würde, dass hier getriebenes Schindluder mitschwingt…)

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