Kommendes Wochenende wird aller Wahrscheinlichkeit nach ja ein offizieller Rechtsruck durch Europa gehen. Nicht nur in Deutschland brauen sich braune Wolken über der kommenden Wahl zusammen. Mindestens auch in Frankreich und Österreich scheinen rechtspopulistische Bauernfänger leichtes Spiel mit unbedarften EU-Krisenkritikern zu haben.
Aber ich will meine Weltuntergangsfantasien zwecks der neuen Salonfähigkeit rechten Gesinnungsmülls ja überhaupt nicht an dieser Stelle in die Welt posaunen. Zudem hoffe ich zunächst weiterhin, dass diese meine Ansicht eher ein Resultat selektiver Wahrnehmung ist und ich schlichtweg meinen Fokus zu sehr auf die mediale Präsenz gehirnverschwurbelter AFD-Anhänger und Aluhütchen tragender Montagsdemonstranten lege. Womöglich lasse ich all diese Ängste einmal zu einem anderen Zeitpunkt ausschweifend hier über die Seite fließen, doch vorerst versuche ich den porösen Staudamm um jene Gefühlswallungen erstmal dichtzuhalten. Denn hier in unsrer schönen Hauptstadt steht am 25. Mai noch ein anderes Thema auf der Agenda und dem Wahlzettel.
Tempelhofer Feld Volksentscheid – gemeinsam für ein gemeinsames Berlin from Der letzte Berliner on Vimeo.
Natürlich mit wunderbar verquaster Formulierung, wie es sich nicht nur für dieses Blog, sondern auch scheinbar für jeglichen Volksentscheid gehört. Neben dem Europaparlament können die Berliner nämlich auch gegen die Bebauung des Tempelhofer Felds abstimmen, einem wunderbaren, bisher nicht kommerziellen Freiraum, mit grün und bunt und weit und allem, was eine Stadt eben auch als Rückzugsort benötigt sowie attraktiv macht. Wie genau da die Kreuze zu setzen sind, ist ohne eine minimale Beschäftigung mit der Thematik vorab nicht unbedingt klar. Zum Glück klärt Der letzte Berliner in einem unglaublich gelungenen Spot die richtige Kreuzverteilung und liefert ganz nebenbei noch so etwas wie ein emotional aufgeladenes “Warum?” dazu. Das dieser Film bereits kurz nach Schnitt bereits ein episches Meisterwerk der politischen Kleinkunst ist, versteht sich bei einem Blick auf die Darsteller_innen und dem wie immer gekonnten Geschnipsel von Frollein Anneliese dem letzten Berliner natürlich von selbst.
Mmmh, im Prinzip ist es mir ja wumpe (sagt man nicht so in Berlin?), was in unserer ungeliebten Hauptstadt so passiert – aber: geht es immer nur extrem? Braucht Berlin nicht dringend günstigen Wohnraum? Könnte man dort also nicht, statt hochpreisiger Luxusdinger, schlicht einfach bezahlbare Wohnungen bauen? Und auch noch grün übrig lassen – so schwer dürfte das doch nicht sein??? Oder blicke ich mal wieder nicht durch/hinter die Kulissen der Hauptstadt? Möglich ist das …
Jaja, die Mär vom günstigen Wohnraum, welche an das reine Herz der unentschlossenen Unbedarften appelliert. Nachdem Mietpreisbremsen zu lange außer Acht gelassen und ganze Bezirke luxussaniert wurden (wir machen aus vielen bezahlbaren Wohnungen, riesige wie teure Lofts für die gut Betuchten) muss natürlich neuer Wohnraum geschaffen werden. Doch bezweifel ich ernsthaft (und existieren auch keinerlei konkrete Pläne), dass dieser Wohnraum bei der angedachten Randbebauung berücksichtigt wird. Denn wer wohnt den NOCH rund ums Tempelhofer Feld? Das sind diejenigen, welche sich einst wahrhaft billig Wohnraum sicherten und darauf pfiffen (ja, pfeifen mussten), dass sie direkt an der Einflugschneise vielzähliger Flugzeuge wohnten. Wenn die nicht bald mal gesammelt ihre heruntergekommenen Wohnungen mit “neuer” Bestlage im aufstrebenden Szenebezirk verlassen und in andere Ghettos ziehen (ich schlage Wedding oder Hellersdorf vor), ja, wo sollen denn dann jene hin, die der Stadt wirklich Geld bringen? Etwa Richtung East-Side Gallery? Ja, sollen denn Luxusappartements nun auch noch ghettoisiert werden? Haben die reichen Bürger und Zugezogenen dieser unserer hassgeliebten Stadt denn kein Recht auf freie und großzügige Wohnraumwahl? Günstiger Wohnraum, ich bitte dich, welch Fehlinvestition!
Nee, aber wenn die genaue Verteilung, wie sie der offenkundig großzügige Senat tatsächlich plant, bei allem Desintresse (“wumpe” is voll 80er ….schönes Wort ) doch intressiert, also nur des Gerüchte beseitigens wegen, dann werfe er hier doch kurz einen Linser drauf: Das THF und der Senat
wer sachtn hier wumpe? nie jehört, jeh kühe zähln
wumpe, also echt. so´n mumpitz
dit ding is, dass jünstich und jünstich ja ooch untaschiedlich bekiekt wern können
jünstich is ja in neuberlinarisch (schwäbisch) allet wat so um 10 Kohle is für qm
hier wird ooch fleißig billich für 8 kohle anjespriesen, allerdings frierste da und sitzt noch uffn trocknen
da weent der normale durchschnitts berlina wenner inne portmonie kiekt
wenn also klaus und seine rasselbande wat von jünstichen wohnraum erzähln dense schaffen wollen, dann eher wenijer für einjeborene
und wedding wird ooch noch kult und untawandert wenn kreuzberch voll is, bin ick mir sicha
Ich überlegtete mir zum Wedding eine Einschränkung hinzuschreiben. Weil als ick damals vor nunmehr einem Jahrzehnt hinzog, war ich bereits felsenfest von der bevorstehenden Verszenerung überzeugt. Damals bestanden beste Vorraussetzungen, eine Menge Studenten konnten sich die damals 3-5 Kohle (jenau: WARM!) pro qm grad noch so leisten, gleich nebenan war der Höhepunkt der Innigkeit des Prenzlbergs mal wieder überschritten (bemerkt hat das manch szenekundiger Kuhdörfler bis heute noch nicht) und die ein oder andere Galerie, Lesbentreffs, Szenebars etc, ja sogar ein so halbwegs besetztes Haus waren bereits vorhanden. Doch was geschah, war vielmehr der Totalabsturz des Bezirks. Die Anzahl der “Gängzta” und Junkies unterlag einem exponentiellen Wachstum, das jeden Mathematiker in Entzücken versetzt hätte, die zunehmend auf den Straßen herumstrolchenden, düsteren Gestalten ließen ihrem sicherlich berechtigten Frust über eine wahrhaft düstere bis nicht-vorhandene Zukunft in mannigfacher Spielart ihren Lauf …meines Erachtens nach braucht es wenigstens ETWAS Charme, um einem irgendwie geartetem Hype anheimzufallen, ich persönlich sehe beim Wedding eher schwarz ….allerdings gibt es Gentrifizierungstheorien, die einen Absturz zukünftig betroffener Gebiete als zwingende Notwendigkeit vorraussetzen, allerdings frage ich mich nach Beobachtung bisheriger Stadtteilentwicklungen, wie tief dieser Fall für eine solche Entwicklung tatsächlich sein darf…
ach kiek dir doch den kotti an, ooch ma janz schlimme ecke und nun? wirds jenauso verschwabt wie prenzelberg, nee, jetto schützt vor schwabtum nich
Ein sehr emotionales Thema, wie es scheint Rein Basistheoretisch habe ich also recht: Berlin braucht günstigen Wohnraum (sagen wir mal so um 5 – 8 Euronen je qm, ziemlich warm die Miete) und dieses olle Flugfeld böte, wieder rein Basistheoretisch, eine prima Möglichkeit dazu. Zudem wäre dort immer noch genug Platz für Grünzeugs. Dass das alles so nicht kommt, liegt an den politischen Vertretern, die von Euch Berlinern in den Senat gewählt wurden.
Hätte man dann diese Volksbefragung nicht derart gestalten können, dass nun genau das herauskommt, was ich Kuhzähler aus der Diaspora mir so mit ländlich gesundem Menschenverstand zusammenreime? Und was ist mit einem Volksbegehren? Begehren ausnahmsweise mal politisch gemeint! Mann kann die Politikerhorde ja auch zu etwas zwingen … oder gibt es inzwischen zu wenige “Eingeborene” in Berlin und die Schwaben haben die feindliche Übernahme bereits abgeschlossen?
Und noch ne doofe Frage: Selbst wenn da Wohnungen gebaut würden, die das neue Berliner billig meinen: Immerhin würden dann die Leute, die da einziehen, keine anderen Viertel Juppiisieren – sondern eben nur das Fluchfeld. Oder sehe ich da was zu sehr durch die Brille des Landvolkes? Neu gebaute Luxuswohnungen sorgen doch dafür, dass weniger günstiger Wohnraum Luxussaniert werden muss, oder?
Ich glaub, ich versteh die Frage nicht. “Was ist mit einem Volksbegehren” – es ist doch ein Volksbegehren. Der Vorschlag bzw. Gesetzentwurf des Senats steht dabei ebenfalls zur Wahl und wird nun medial mit angeblichem Wohnraum beworben, der so aber eben nur marginal geplant ist.
Zu der anderen Frage: du kannst die Juppisiererei ja irgendwie nicht wirklich räumlich eindämmen bzw. ghettoisieren. Wenn die Ureinwohner weg ziehen, weil der Wohnraum zu teuer geworden ist, und mit ihnen die Dinge verschwinden, die ein Viertel überhaupt erst zum “Szenebezirk” hat werden lassen, dann ist das Viertel zwar tot und teuer, aber das finden die Luxusanbeter dann auch irgendwann raus und ziehen hinterher, dorthin, wo neues Leben keimt. Nur leider sind bald alle Innenstadt-Bezirke abgegrast und bei dieser Rumzieherei eben nach und nach die Mieten (auch ohne Luxussanierung, allein durch die erlaubten Mietaufschläge bei Mieterwechsel und Anpassung an neue Mietspiegel) derart in die höhe geschossen, dass sich mit durchschnittlichem Berliner Gehalt eben eher weniger wirklich innen wohnen, noch Gastronomie welcher Art auch immer betreiben lässt. Da bleiben bald nur noch die Randgebiete.
Das Feld an sich, besticht ja nicht nur als Grünfläche – es ist ja immerhin ein ehemaliger Flughafen und somit nur parziell grün. Doch es haben sich bereits Nachbarschaftsprojekte dort gebildet, ehemalige Start- und Landebahnen werden für ausgiebiges Sporteln genutzt und bei der Überfüllung bereits juppisierter Parks, bieten die Weiten des Feldes eben eine halbwegs idyllische Leere und gleichzeitig Fülle an. Prinzipiell eben ein echte Bereicherung und als stressreduzierendes Freizeitgelände eben mindestens genauso benötigt wie Wohnraum.
Meine Verwirrtheit, nur bezüglich der Volksbefragung, muss ja noch erklärt werden. Ahalso – ich konnte mir nicht vorstellen, dass man eine Volksbefragung macht und gegen etwas ist, ohne eine wirkliche Alternative zu bieten. Klar, den Status quo dieses Fluchfeldes erhalten … aber wäre es nicht sinnvoller gewesen, auch noch zu fragen, ob nicht dort Wohnraum gebaut werden soll – für 4 bis 6 Euro den Meter im Quadrat. Das hätte ich sinnvoll und logisch gefunden. So empfinde ich es eher als destruktiv … deshalb dachte ich, diese Befragung wäre vom Senat oder so … Ich bin halt doch naiv!