Archive for August 2014

Lukrative Geschäftsidee (1)

Dieser Sommer war echt verdammt schnecklich™ (Wort ist natürlich von Schnecken-Uli geklaut). Im wahrsten Sinne. Fast täglich legte ich eine mehr oder weniger elegante Hopseinlage über unsere Hauseinfahrt hin. Der Grund waren zentnerweise Nacktschnecken. Manchmal bin ich versehentlich doch auf eine getreten und habe mich gedanklich bei ihr, etwaigen Schöpfern und Schnecken-Uli entschuldigt. Meine Oma hingegen hat ein regelrechter Blutrausch oder vielmehr Schleimwahn gepackt. Die rannte nämlich ganze Maratonnen durch ihren Garten und sammelte die armen Viehcher ein, um sie in großen Gläsern mit Salzwasser zu ungewollten Schwimmeinlagen zu animieren.
Heute hat sie beim Inspizieren einer ihrer Pflanzen dann ein Nest gefunden. Ein Nest mit Schneckeneiern:
Schneckeneier
Hatte ich so noch nie gesehen. Ich wollte ja ursprünglich welche mitnehmen und beobachten, wie sich aus diesen transparenten Gelkügelchen bitteschön so eine verhältnismäßig riesige und dunkle Schnecke entwickelt. Kurz: Ich wollte ausbrüten und fotografisch dokumentieren. Mein Opa meinte aber, die schlüpfen erst im nächsten Jahr. Da meine Aufmerksamkeitsspanne etwa der Länge von Berlusconis Penis entspricht*, habe ich das lieber sein lassen. Nachher vergesse ich die Kügelchen und irgendwann im Frühjahr begrüßt mich eine empörte Schneckenarmee beim Öffnen meiner Schranktür.
Achja, die “Geschäftsidee” in der Überschrift. Da war ja was: Ich hab natürlich umgehend mal geschaut, ob sich das Zeug als essbar herausstellt und Potenzial zur Delikatesse hätte. Und siehe da, wird schon verkauft. Ja, es gibt tatsächlich so etwas wie Schnecken-Kaviar-Farmen. Allerdings nur für die Eier von Weinbergschnecken. Ein viel gewichtigerer Haken ist jedoch, dass die Produktionskosten scheinbar derartig hoch sind, dass selbst Nobelrestaurants stets nur mal eben kleinste Mengen abnehmen und sie ihren Gästen lediglich sporadisch anreichen. Hat sich also erledigt mit der Idee.

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*Bei Fragen in Sachen Penisverlängerung und Sex mit den abgefahrensten Dingen wenden sie sich bitte vertrauensvoll an die Mikrobiologin Dr. Dr. Fellmonster

Zettel- und Taschentuch-Alarm

Ich verzettel mich ja liebend gern. Daher muss neben den 52 Büchern, dem allgemeinen Vorhaben wieder regelmäßiger zu schreiben und einer komplett aufgerissenen Wohnung auch noch ein zweites Blogprojekt her. Ich kam einfach nicht an der “Fünf am Freitag” von Windsprite vorbei. Daher hier das

Nenne fünf Bücher, die dich zum Weinen gebracht haben und sich dadurch für immer in deine Erinnerung eingebrannt haben

  1. Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo …es waren nicht die Stellen, wo diverse Freunde nach und nach wegsterben oder die Beschreibungen des stetigen Zerfalls des Verhältnis zu ihren Eltern. Es war gegen Ende, als Christiane durch ihre Drogensucht und ständige Abwesenheit in der Schule vom Gymnasium auf die Hauptschule wechseln musste. Ich war damals elf und für mich war so das ein solcher Abstieg so ziemlich das Endgültigste, was einem Menschen mit Potenzial in dieser Gesellschaft passieren konnte. Das ist irgendwie arm. Es sagt aber nicht nur etwas über eine eventuell “elitäre” Denkweise meiner damaligen Person aus, sondern vielleicht vielmehr über einen Leistungsdruck, den Kinder in dem Alter eigentlich gar nicht so internalisiert haben sollten.
  2. Alice Walker – Die Farbe Lila …das war mehr oder weniger, weil es so schön war. So erleichternd und doch irgendwie schmerzhaft
  3. Icchokas Meras – Sara …das Buch ist eine einzige Vergewaltigung. Eine Vergewaltigung am Leser und an den Figuren. Und ich bewege mich hier nicht komplett auf der metaphorischen Ebene. Das brach alles am Ende über mir ein. Und nach der Verstörung, kommen wohl im besten Fall Tränen.
  4. Jürgen Kuttner – Die Geburt des radikalen Islamismus aus dem Hüftspeck des deutschen Schlagers …vor lauter Lachen. Ich konnte nicht mehr atmen und nicht mehr sehen.
Gut da steht zwar “fünf Bücher”, doch mir fällt beim besten Willen gerade keines mehr ein. Das heißt nicht, dass es keine Weiteren gab. Ich erinnere mich vage, dass es mehr gegeben haben müsste, aber wenn sie mir spontan nicht einfallen, dann war das Weinen womöglich kein Teil, mit dem sich diese nun anonymen Werke ins Gedächtnis einbrannten.

Meine Mama Malt

…manchmal oder vielmehr mal wieder. Weil sie derzeit mit angeknackstem Tibiaköpfchen in ihren vier Wänden umhertigern muss. Oder vielmehr “darf”. Denn es tut der alten Workaholikerin echt mal gut, zwangsweise der Arbeit fern zu bleiben.
Und nun malt sie eben wieder. Davon profitiere ich auch*. Ich musste nur einmal “Ratte!” rufen und zwei Stunden später, hallte ein “Fertig!” zurück.
Ratte in Acryl
Nun bin ich ganz verliebt und prompt dabei, ein ganzes Zimmer umzuräumen, damit das Bild auch den Platz bekommt, der ihm gebührt.
Dit is sooo schööön!

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*wenigstens etwas, wenn sie mir schon, statt ihren Malkünsten, lieber ihre Arbeitswütigkeit vererben musste!

Erkenntnisse über Schleifmaschinen

1. Schleifmaschinen funktionieren besser mit als ohne Schleifpapier.
2. Schleifpapier liegt ständig im Weg, es sei denn, ich brauche es für eine Schleifmaschine.
3. Kleine Fetzen Schleifpapier, die sich nicht an beiden Seiten der Maschine befestigen lassen, sind Müll.
4. Ich brauch mehr Schleifpapier!
5. Im Falle, dass ein Kleiderschrank abgeschliffen wird, sollte dieser vorher geschlossen oder gar entleert werden.
6. Die Haut an den Händen wird ganz weich. Liegt das am Rütteln oder am Staub?
7. Schleifen macht voll Dreck, Lärm und Laune!

Learning bei maching alle möglichen Fehlers

Bezaubernde Jugend

Projekt 52 BücherKaum ist das Projekt 52 Bücher gestartet, bin ich schon wieder am Aufholen. Diesmal schaffe ich es aber und nehm die Sache ernst, schließlich wurde ich vom Herren Dunkelschlumpf (derzeit hauptsächlich in der Wauzelwelt aktiv, sollte es wie so oft, zu erwartenden, nicht auszuschließenden, zu weiteren Umzügen kommen, so werden sie hier wie immer kurz vor Schließung der neuen Wirkungsstätte, sobald ich es wie immer verspätet mitbekomme, darüber informiert) zu einer Wette herausgefordert. Darüber, dass ich immer genau in der Woche, in der das Motto ausgegeben wird, auch einen Artikel dazu raushauen muss, hat er nichts gesagt (ich wähne mich also noch im Rennen). Einzig das “neue” Motto stammt von ihm:
Ein Zauberbuch …gerne auch im Sinne von: Ein zauberhaftes Buch.

Echt zauberhaft” von Terry Pratchett wäre sicherlich bezaubernd passend. Doch wie von Zauberhand wird mit hoher Wahrscheinlichkeit so einigen anderen diese Idee auch im Kopf erscheinen. Einfach magisch!
Also reise ich mittels Bücherregal zurück in meine düstere, im Sinne von “okkulte” Vergangenheit. Wir landen mitten in DillEmmas Pubertät. Da gab es eine Phase, in der sich meine damals beste Freundin für eine Hexe hielt und gemeinsam mit dem Schwarm ihrer jüngeren Schwester, welcher sich selbstverständlich ebenfalls für einen Hexer hielt, mit dementsprechender Literatur befasste. Sie tauschten kleine Rituale und vor allem komplett wirkungslose Liebesbeschwörungen aus und liehen sich die neusten magischen Bücher, Steine, Pendel, Karten und sonstige magische Gegenstände. Sie gingen gemeinsam Kräuter und Zeuch sammeln, um Pasten und Tränke anzurühren, die bis auf olfaktorische Abwechslungen im Kinderzimmer meines Erachtens nach zu keinem Zeitpunkt eine besondere Wirkung erzielten.
Eine besonders mystische Person war ich sicher nie. Anfangs belächelte ich das sich, besonders im weiblichen Außenseiterkreis meiner Schulklasse, ausbreitende Gebaren lediglich oder machte mich vielmehr lauthals darüber lustig. Schließlich hatte ich bereits oder gerade als Teenager die Weisheit mit dem Löffel gefressen und die Wahrheit gepachtet! Zudem betrieben sie ausschließlich “weiße Magie” und wenn ich mich von irgendetwas angezogen fühlte, dann doch zumindest von irgendwelchen “bösen” Seiten. Ein Grund mehr, alles bösartig ins Lächerliche zu ziehen.
Da in meiner Gegenwart nie ein Zauberspruch oder ein Gedankenübertragungsdingsbumms funktionierte, lag das natürlich nicht an den “magischen Kräften” der entsprechenden Beteiligten. Nein! Einzig meine negative Energie und mein Unglaube versagte ihnen, sobald ich zugegen war, beispielsweise das Wetter zu beeinflussen. Dabei hatte der Schwarm doch schon extra beim Spazierengehen heimlich nach einer kleinen herannahenden Regenwolke gespäht, bevor er gewichtig zu murmeln begann und eine meteorologische Abkühlung an einem heißen Sommertag heraufbeschwören wollte. Blöd, dass die von seinen weiblichen Anhängern unbemerkte Wolke einfach abdrehte oder sich auflöste oder spielen ging oder was Wolken halt so machen, um sich nicht von aufgeblasenen Teenieschwärmen instrumentalisieren zu lassen. Das vermeintliche Ende meiner schwarz-weiß-magischen Karriere kam dann bei einem Mädchenabend. Alle wollten Gläserrücken und waren so ganz versunken in geistige Sphären oder dergleichen, nur ich und irgendein anderes, “ebenso unreifes” Mädel, bekamen uns bei den schwülstig vorgetragenen Anrufungen des Geistes einfach nicht in den Griff und prusteten wiederholt in die “heiße Phase” und quer übers Ouija-Brett, bis wir des Raumes verwiesen wurden. Beleidigt und in unsrer Ehre als aufrechte Störenfriedas gekränkt, liehen wir uns kurzer Hand ein Laken von der Mutter der Gastgeberin. Ich nahm meine Schwester im Geiste huckepack und warf das Laken über unsere nun recht ansehnliche Gestalt. So warteten wir, heroisch unser Kichern unterdrückend vor der Tür des Kinderzimmers, bis wir von innen die Frage vernahmen: “Bist du ein guter oder ein böser Geist?” Wir stürmten durch die Tür, schrien “EIN BÖSER!”, die Anwesenden Mädchen kreischten, das Gläserrücken war vermutlich für diesen Abend gelaufen. Doch so genau weiß ich das nicht, denn die beiden geistreichen (muhaha, wat’n Wortspiel “geist-reichen”) Damen wurden der Wohnung verwiesen und durften statt im Freundeskreis zu übernachten und sich womöglich noch an zauberhaften Gruselgeschichten zu erfreuen, vorzeitig den Weg nach Hause antreten.
Trotz dieser Startschwierigkeiten mit der Magie, bin ich tatsächlich im Besitz einer Art Zauberbuch.
Hier jenes:

Zauberbücher

Der gewiefte Betrachter wird womöglich feststellen, dass es sich sogar um ganze zwei Exemplare handelt.

Wie das aber nun zu mir gekommen ist, das weiß ich gar nicht. Womöglich irgendein übernatürliches Phänomen. Einfach zauberhaft im Regal materialisiert. …oder, ganz irdisch innerhalb einer erneuten Trotzphase (An dieser Stelle hat der Artikel die magische Grenze von 666 Worte gehabt! Ich sah das eben, wo ich sonst nie drauf achte – ein zauberhaftes Zeichen?) geschuldet. Denn es ist weißmagischer Natur und könnte daher damals als kleine Auflehnung in einer kurzen Liaison mit einem Gothic oder Satanisten in meinen Besitz gelangt sein.

Fatale Fußball-Freizeit

Projekt 52 BücherGut das zweite Motto, der Bücherwochen beim Fellmonster, hätte ich der Aktualität wegen eventuell etwas zeitnäher bearbeiten sollen. Denn der prekäre Umstand
Fussball-WM vorbei und nun?
hat sich mit dem Start der Bundesliga ja wieder etwas entschärft. Ansonsten ist nächstes Jahr ja auch wieder WM, dann is EM und das Jahr drauf wieder und dann is schon wieder WM. Allerdings habe ich ein kleines Foto vorbereitet, was passiert, wenn die Unterhaltungskultur mich einfach, zwar absehbar, jedoch dennoch gefühlt abrupt in ein Selbstversorger-Loch fallen lässt:
sowas kommt von sowas
Die ersten drei oder vier Romane, habe ich in einem kleinen E**y-Kaufrausch erstanden und dann kam ich am nächsten Tag noch auf die waghalsig übergeschnappte Idee, ich könnte doch für Stieftöchting zum Geburtstag ein Buch besorgen. In einem Buchladen. Ein Buchladen! Böser Fehler. Ich stolperte nämlich rein zufällig und zum ersten Mal über ein solches Antiquariat, wie ich es vorher bewusst suchte und nicht fand:
Ein Antiquariat mit Scheibenwelt-Ecke.
Böse Falle. Zum Glück hatte der entsprechende Buchhändler des Bösen ein wenig Mitleid und machte mir so eine Art Kilopreis, wie er hämisch grinsend betonte. Daher kostete der Pratchett-Stapel insgesamt genauso viel, wie ein (EIN!) Buch fürs Kind. Doch selbst bei diesem literarischen Geschenk wurde ich noch von Eigennutz geleitet. Sie bekam nämlich ein Experimentierbuch:
Mark Benecke “Das knallt dem Frosch die Locken weg: Experimente für kleine und große Forscher”.
Der Autor ist Kriminalbiologe und arbeitet zu einem großen Teil mit Insekten. Insbesondere Maden scheinen zu seinen Lieblingshelfern zu zählen, was sich auch in den Experimenten niederschlägt. Gleich mehrere davon drehen sich ums “Maden anlocken”, “Maden schlüpfen lassen” oder gar “Mit Maden malen”. Diese Versuchsreihe haben wir während des Ferienaufenthalts von Stieftöchting dann galant ausgespart. wir wollten ja nicht der Mama die Freude nehmen auch ein wenig mit Töchting zu experimentieren. Die freut sich bestimmt über ihre neuen Haustiere und kann gleich eine professionelle Madenzuchtstation eröffnen. Stiefzwilling und ich haben uns eher (ganz uneigennützig natürlich) den spaßigen “Knall, Zisch & Peng”-Experimenten gewidmet.

Juchu Montag

Ich kreuze diesen Tag in allen Kalendern des letzten Jahrzehnts am besten rot an. Kommt ja nicht allzu häufig vor, dass jene Worte in der Überschrift mit solch geringer Distanz zueinander und ohne jedwede Spur von Sarkasmus verwendet werden können. Doch das ganze hat ehrlich gesagt einen tragischen Hintergrund oder ist vielmehr sogar der Akkumulation diverser trauriger Gründe:

Samstag morgen:
Ich radel nichts Böses ahnend die Straße entlang. Rechts von mir am Straßenrand erstrecken sich wöchentlich aufgebaute Tische und Decken mit Ramsch. Es handelt sich um die Reinickendorfer Varainte eines Flohmarktes. Besonderes Merkmal eines solchen scheint im Gegensatz zu “echten Flohmärkten” allerdings, dass jedwede teilnehmende Verkaufspersonen beim Verlassen ihrer Wohnung schnell den Müll mit runter genommen haben und diesen nun versuchen meistbietend an die dümmste, liquide Person zu bringen, die sie treffen. Links von mir tappelt ein Igel über die morgendlich verträumte Straße. Das einzige Auto in gefühlten 100km Umkreis prescht heran. Ein schwarzer Mercedes (was sonst!). Scheinbar sieht der Fahrer das Tier, das nun tatsächlich an Fahrt aufnimmt und noch den sicheren Bordstein erreichen möchte. Noch etwa hundert Meter für den Luxusschlitten, zwanzig Meter für mich zum stacheligen Vekehrsteilnehmer. Ein ungutes Gefühl breitet sich in mir aus, ich trete ein bisschen schneller in die Pedale. Auch der Fahrer gibt Gas. Kein Grund zur Sorge. Die Straße ist zweispurig und leergefegt. Der Kerl kann und wird ja wohl ausweichen. Er macht tatsächlich einen Schlenker. Nach rechts. Absichtlich auf den Igel. Es knackt. Mir wird schlecht. Ich werd so scheiße wütend. Ich reiße meine Fahrradklingel ab und schleuder sie schreiend der beschissenen Dreckskarre hinterher. Ich treffe nicht. Die Flohmarktbesucher schauen zwischen pikiert (über mich), verdutzt (über mich) und desinteressiert (dem Schiksal des Igels gegenüber). Der Igel schaut gar nicht mehr. Seine Augen hängen vermutlich an der Radkappe eines geparkten Autos oder in den eigenen Gedärmen. Bin ich gestört oder alle anderen?

Samstag mittag:
Nahe eines bekannten Substitutionsarztes in einer nicht ganz so schicken Ecke Berlins. Hier hängen oft düster anmutende Gestalten rum. Der Ton ist nicht unbedingt durchgängig der Feinste. Manchmal wird es laut, manchmal lustig, selten auch mal handgreiflich. Vor einem Auto stehen lautstark diskuttierende Junkies. Vorüberziehende Passanten bemühen sich, möglichst derart zu gucken, als sei niemand da, weder potenziell gefährliche, in diesem Fall offensichtlich über irgendetwas aufgebrachte Menschen, noch sie selbst. In ihren Augen läuft neben kalter Angst auch teleprompterartig das Mantra solcher Situationen & Menschen durch “Alles ist gut. Wir sind gleich vorbei.” Ich bin ein neugieriger Mensch und glaube, Gefahr für mich und Gefahr für andere recht gut auseinanderhalten zu können. Ich bleibe stehen. In dem von den Süchtigen belagerten Auto sitzt ein Hund. Das Auto steht mitten in der Sonne. Kein Fahrer ist in Sicht. (Vielleicht traut er sich auch nur nicht mehr ran?)
“Wir warten hier schon fuffzehn Minuten!” gröhlt mir einer der Typen entgegen. “Dat Vieh verreckt doch in der Karre!” Der Hund wirkt tatsächlich schon etwas apathisch. “Wir brechen das jetzt auf!”, schlägt ein schlacksiger Kerl aus der Gruppe vor. Ein kleiner Dicker setzt sich daraufhin in Bewegung zu einer nur wenige Meter entfernten Baustelle. Hier weicht der eben noch sichere Aktivismus scheinbar kurz einer Unsicherheit. Entgegen aller mythischen Legenden über die gespenstische Leere auf Berliner Baustellen war diese sogar an einem Wochenendtag besetzt. Doch als der zu kurz geratene Stiernacken sich grade versucht, trotz massiver Körpermaße unauffällig und harmlos wirkend umzuschauen, schallt es bereits vom Gerüst: “Da lieg’n Steine, Meista! Nimm die ma!” Stolz kommt er mit einem ollen Backstein zurückgeschlurft und schmettert den Brocken durch die Scheibe des Wagens. Der Hund wird gemeinsam rausgezogen. Er scheint echt fertig zu sein und klatschnass. Letzteres wundert mich später beim Zurückfahren. Erst erschien mir das logisch, weil er wirkte wie komplett verschwitzt. Körper dehydriert, alles Wasser im Fell. Allerdings schwitzen Hunde doch überhaupt nicht durch die Haut…
Zufriedenheit macht sich unter den umstehenden Gestalten breit. Alle streicheln einmal am Geretteten entlang, versichern sich, dass alles in Ordnung ist. Die Gruppe verstreut sich weitgehend, einige machen sich schnell noch auf, denn die Vergabestelle schließt bald. Andere waren bereits da und warten noch am Auto (übrigens wieder ein Mercedes – ich will ja nix sagen, aber…) “Wir warten hier, falls der Pisser zurückkommt. Der kricht wat zu hörn!” Einerseits gönne ich das dem “Pisser”, andrerseits, mach ich mir grad minimal Sorgen um ihn. Die Polizei kommt auch noch vorbei. Scheinbar wurden sie durch hilfreiche Passanten informiert. Vermutlich mit den Worten, dass gewaltbereite Junkies sich vor Luxuskarossen zusammenrotten. Sie halten kurz eine Art Thermometer durch die gesplitterte Scheibe ins Innere des Autos. Bei 62°C (da war die Scheibe schon etwa 2-3 Minuten offen!) ziehen sie es wieder raus. “Is’ nur pro forma”, sagt einer der Bullen kollegial und grinst, “Alles richtig gemacht! Selbst wenn’s weniger Temperatur gewesen wäre.” Das wusste tatsächlich keiner. Selbstverständlich war der Akt dennoch für alle Beteiligten. Es folgt noch eine kurze Aufklärung seitens der Bullerei über Rechte in solchen Situationen. Wir erfahren, eigentlich besteht die Erlaubnis zur Rettung des hilflosen Lebewesen im Autoinneren sogar dann, wenn eine Klimaanlage laufen würde, weil deren Existenz von außen keiner erahnen kann. Alle freuen sich über so sympathische Polizisten und nennen sie zwischendurch sogar so. Die Polizisten fahren weiter, geben denen, die noch hingebungsvoll auf den Fahrer warten wollen, den Rat, keine Dummheiten zu bauen. “Nee nee, Wachmeista. Keen Problem. Nur ‘ne Ansage, aber den Hund krichta nich wieda!” Auch ich fahre weiter und schaue mich verstohlen um, ob jener Fahrer nicht doch hinter einer nahegelegenen Ecke oder in einem Gebüsch kauert, wo er das Spektakel beobachtet hat und nun wartet, dass er doch klammheimlich, wenn schon nicht seinen vierbeinigen, so doch wenigstens den viertürigen Gefährten wieder in die Arme schließen kann.

Sonntag nachmittag:
Der Stiefzwilling holt sein Töchterchen aus irgendeinem Dorf von der einen Oma ab, um es in irgendein anderes Dorf zu der anderen Oma, also seiner Mutter zu schleppen.
Einige Zeit nach Aufsammeln meines Quasistieftöchting erreichen mich lauter Nachrichten, welche gegen Ende komplett großgeschrieben sind. Weder das Nutzen der Caps Lock-Funktion noch der darin an den Tag gelegte Ton entsprechen dem sonst so ruhigen Gemüt des Stiefzwillings. Da fielen Worte, wie sie eher in schlechtem Ghetto-Rap oder miesen Sado-Pornos zu finden sein dürften. Alle Nachrichten drehten sich um den Wachhund der Oma des Stieftöchtings. Also der Oma, welche die Mutter der Stiefzwillingen-Ex ist. Ein riesiger Hund namens Athos. Ein wunderschöner Berner Sennenhund. Gewesen. Keine vier Jahre ist der Kerl alt geworden. Stieftöchting hat ihn also schon als Welpen kennenlernen dürfen und stieg entsprechend traumatisiert zu ihrem Vater in den Zug: “Athos ist tot, Papa. Die Oma hat ihn nicht geschert und bei der Hitze einfach im Zwinger gelassen.” Dem Tier wurden wohl nicht einmal bei Fellwechsel die alten Haare rausgekämmt. Dass Hunde in den Zwinger gehören und den Großteil ihres Lebens dort auch abseits des Rudels zu verbringen haben, scheint in jener Familie (außer beim Stieftöchting und einer Schwester der Ex) Konsenz mit Normalitätscharakter zu sein. Eine Sicht auf Hunde, die in der damaligen Beziehung zwischen Stiefzwilling und Ex schon zu diversen Differenzen führte. Noch heute wird unsere Hundehaltung inklusive “Im Bett schlafen dürfen” von jener Seite aus als der Gipfel jeglicher Verhätschelung belächelt oder gar schief beguckt. Dass die mangelnde Zuwendung einem Lebewesen gegenüber allerdings solche Ausmaße der Gleichgültigkeit annimmt, dass sie dabei elendig verrecken, scheint ein neuer fataler Höhepunkt zu sein. Stieftöchting hatte beim Streicheln ganze Büschel Haare in den Händen. Bat während der heißen Tage mehrmals, den Hund doch mit in den Schatten nehmen zu dürfen. Keine Verständnis. Kein Einlenken. Nun soll ein neuer Hund her. Der Hof muss ja bewacht werden. Wir überlegen die umliegenden Tierheime und Züchter möglichst mit Namen über diesen Vorfall zu informieren. Würde dennoch ein Welpe ausgehändigt werden?
Mag sein, dass manche Menschen diese Sicht auf das Zusammenleben der verschiedenen Spezies als archaisch oder gar richtige Geisteshaltung verstehen und meine/unsere Ansicht als verweichlicht. “Ist doch nur ein Hund!” Ich bin vielmehr der Auffassung, dass ein Mangel an Respekt gegenüber vermeintlich biologisch minderwertigen Kreaturen ein ganz allgemeines Leck an Empathie gegenüber Lebewesen im Generellen offenbart. Solche geistigen Einstellungen ermöglichen überhaupt erst Kriege, Artensterben und alle Schlechte in dieser Welt.

Freitags halb neun

….im Büro.
Die Nerven liegen blank (zumindest die in meinem Arm beim Tippen – der Rest schläft noch so halb) das durchschnittliche Arbeitsbienen-Hirn befindet sich (nicht nur) angesichts der Temperaturen bereits im Wochenend-Leerlauf.
In solchen Zeit-Raum-Konstellationen ergeben sich völlig natürlich die wohl sinnvollsten (und arbeitsrelevantesten) Konversationen zwischen Mitarbeitern:

Hirntod

Psychogramm und Zeitzeugnis moderner Massenarbeiterhaltung

Live aus der Ansteckungszone der SQ-Quarantäne

Sie ist wieder da!

Projekt 52 BücherDie Überschrift bezieht sich keineswegs auf meine Wenigkeit, obwohl das durchaus auch damit gemeint sein könnte. Nein! Vielmehr gehen Jubelschreie durchs Netz, denn die die 52-Bücher-Challenge vom Fellmonster geht in die dritte Runde! Trotz fehlendem Internet in den eigenen vier Wänden oder lediglich Zugang über diese kleinen umständlichen Schlaufone, Karpaltunnelsyndrom und Tennisellenbogen (Richtig: medizinisch heißt das gar nicht Tennisarm, sondern Ellenbogen. Wieder was gelernt!) muss ich zu diesem Anlass doch unbedingt wieder regelmäßiger hier was hintippeln.
Ziel diesmal: Keinen Beitrag auslassen!

Zum Auftakt gibt es auch gleich einen Klassiker – da bleibt sich die Kalamitäten-Kati treu:

Was liest du zurzeit?

Ich bin derzeit in der Zwischenphase von zwei Büchern. Das eine hängt mir seelisch noch nach, dass andere wurde bereits begonnen. Prinzipiell ist da noch ein drittes, dessen letzte 50 Seiten schon einige Wochen darauf warten, endlich gelesen zu werden. Aber dieses dritte oder vielmehr dessen Ende macht mir irgendwie Angst oder auch Unlust. Es ist

Venusneid von Rita Mae Brown

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Und es begann so gut:
Eine Frau bekommt die Diagnose Lungenkrebs im Endstadium. In ihrer letzten Nacht im Krankenhaus fühlt sie, dass es jede Sekunde vorbei sein kann, reißt sie sich den Morphinschlauch raus und beginnt, zu schreiben. Sie schreibt allen Menschen einen Brief, die in ihrem Leben eine wichtig Rolle spielen, ob nun durch familiäre, geschäftliche oder freundschaftliche Bindung. Eine Art Abschiedsbrief, in dem sie abgrundtief ehrlich ist. Sie offenbart nicht nur sich selbst, sondern eben auch alle Gefühle und Gedanken, die sie den jeweiligen Menschen gegnüber wirklich hegt. Am nächsten Tag wacht sie widererwartend auf, die Briefe sind bereits abgeschickt und der Arzt bescheinigt ihr eine Fehldiagnose. Es war schlichtweg nur eine schwere Bronchitis. Sie wird überleben. Es ist eine Wiedergeburt in doppelter Hinsicht. Denn dem Tod so nah gewesen zu sein, macht einerseits sicherlich vieles bewusst und stärkt den Willen, in einer neuen Chance alles anders oder vielmehr richtig zu machen. Andererseits kann ein solch abrupter Umbruch, bei welchem du komplett blank gezogen, vielleicht auch unbequeme Wahrheiten ausgesprochen hast, dein komplettes bisheriges Leben inklusive aller Sicherheiten zusammenbrechen lassen. Alles gerät ins Wanken, nicht nur nach und nach, sondern eben auf einmal. Dieses Zusammenspiel von Ende und Neuanfang und wie das einzelne Individuum und dessen Fassaden auf die gesamte Umwelt wirken, fand ich einfach immens spannend. Spannend sind auch Ort und Zeit in der die Handlung spielt, denn ein wichtiger Punkt in den Briefen ist das Coming-Out der Romanheldin, die wie so viele von Rita Mae Browns Figuren lesbisch ist (wenn es keine Katzen sind – denn sie fing irgendwann an, diese unsäglichen Katzenkrimis zu schreiben – WARUM?!).  Anfangs mochte ich auch die sporadisch auftretenden Abrutscher ins Irreale. So ist die Protagonistin Kunsthändlerin und eines der Ausstellungsstücke in ihrer Galerie, eine Art Familienbild der griechischen Götter, welches Ewigkeiten in einem Bordell gehangen hat, scheint immer mal wieder Kontakt mit der “Realität” aufzunehmen. Doch eines Tages bekommt die Hauptfigur beim Auswechseln einer Glühbirne einen elektrischen Schlag und findet sich tatsächlich zwischen all den Göttern und Göttinen wieder, mit denen sie dann überirdischen Sex hat, dazwischen dann bei Nektar, Ambrosia und Cola philosophische Gespräche über die Menschheit und die Liebe führt. So als Ausflug hätte ich das ja noch ertragen, aber das geht nun schon geschlagene 100 Seiten so und irgendwie verstimmt mich die Aussicht, es könne bis zum Ende so bleiben.

Das Buch, bei dem ich vorgestern die letzte Seite zuklappte und welches mir sicher noch etwas nachhängen wird, trägt ebenfalls einen für mich sonst eher abschreckenden Titel:

Das geheime Prinzip der Liebe – Hélène Grémillon

Das Buch hat mir die Quasi-Schwiegermutter geschenkt. Das machte mir schonmal gehörig Angst. Es war nämlich bereits ihr zweites Buch an mich. Bücher schenken ist ja eh schon eine Kunst für sich, aber sie ist zudem passionierte Nicht-Leserin mit einem generell wirklich anderem Geschmack als meinem eigenen. Bei einer solchen Konstellation darf theoretisch vom Schlimmsten ausgegangen werden. Beim letzten Mal bekam ich dann auch eine Art Fürstenroman oder so etwas. Ich gebe zu, ich hab dieses erste “Buch” nicht gelesen. Ich habe mir allerdings die ersten 20 Seiten Personenverzeichnis angeschaut. Es las sich ein wenig wie der Anfang der Bibel (“Dings zeugte Bumms und Bumms wiederum zeugte Knall” oder so ähnlich). Ich habe sogar die aufgeführten Personen durchgezählt. Etwa 200 Charaktere – das wirkte mir dann angesichts der zwei bis dreihundert Seiten doch minimal überladen. Und dann lauter ellenlange Adelstitel …och nööö. Das geheime Prinzip der Liebe hingegen, steht jedenfalls überraschend konträr zu der ersten Erfahrung. Es hat mich von Anfang an gepackt und wirkte, wie gesagt, sogar über das Leseerlebnis hinaus noch nach. Irgendwie zwischen Krimi, Geschichtsroman und Familiendrama.
Ich hau hier mal dennoch nur den Klappentext hin. Zum einen, weil ich bei den ganzen inhaltlichen Verflechtungen und Wendungen einfach nicht den potenziellen Lesern irgendetwas vorweggreifen möchte. Zum anderen, lese ich es ja aktuell gar nicht mehr, es ist also streng genommen gar nicht teil dieser Bücherwoche:

“Eine bedingungslose Liebe, die sich während des zweiten Weltkriegs in Paris verliert.
Eine Mittellose Malerin aus der Champagne, die für ihre Gönnerin ein Kind bekommt.
Eine Frauenfreundschaft, die in Hass umschlägt.”

Diese Beschreibung trifft es ziemlich gut und sagt dennoch nichts über den Inhalt aus. Denn hinter den einzelnen Worten steckt wie so oft, so viel mehr.

Kommen wir also zu dem Buch, das ich derzeit so wirklich aktiv lese:

Alice Walker “Die Farbe Lila”

Zumindest der Film ist sicherlich recht bekannt. Das war damals einer der ersten “Erwachsenen-Filme”, die ich mit meiner Mutter schauen durfte. Beeindruckt war ich schon damals. Dennoch war das alle irgendwie zuviel. Ich habe ihn sicher dreimal im Abstand mehrerer Jahre und Reifephasen gesehen, um irgendwie die ganze Handlung aufzunehmen. Thematisch habe ich den Film auch lange Zeit mit “Grüne Tomaten” durcheinander geworfen. Die wandelnden Rollen der Schwarzen in Amerika (und damit auch die der Weißen) sowie die Emanzipation der Frau (und damit auch die der Männer) steht in beiden Büchern und Filmen im Mittelpunkt. Der Umgang mit diesen gesellschaftlichen Umbrüchen könnte allerdings nicht gerade unterschiedlicher verarbeitet sein. Beide Bücher habe ich auch erst nach den jeweiligen Filmen gelesen. Dabei fiel “Grüne Tomaten” in meinem ersten Beitrag zum Bücherprojekt überhaupt, der zweifelhafte Titel “Beste Buchverfilmung” zu. Zweifelhaft deswegen, da der Film das Buch um Längen schlägt. Bei “Die Farbe Lila” sieht das bisher ganz anders aus. Sonderlich weit bin ich zwar noch nicht, aber Zahl und Intensität der Entenpellen und Würgereize, die das Buch bisher auslöste, übertrumpfen jetzt schon die des gesamten Films.