Allein die Frage vorab “Soll das Projekt 52 Bücher in die Verlängerung gehen?” lässt mindestens auf einen Überschuss an Urlaub oder schlimmstenfalls gar auf einen gestörten Caipi-Haushalt (also förmlich kurz vor der Dehydrierung) bei unser aller gelobhudelten geistigen wie spirituellen Weltherrscherin schließen. Immerhin führt dieses Intro in monströs rasanter Rekordzeit schon zur Verkündung des Themas der 43. Bücher-Woche:
Geistige Getränke
Diese Vorgabe lässt jegliche Assoziation spontan in zwei nicht wirklich weit voneinander entfernte Richtungen strömen.
1. Zwischen Teezeremonie & Tea Party
Zunächst einmal liegt hier offensichtlich ein Hauch Spiritismus in der Luft, welcher mir instinktiv die Nackenhaare zu Berge stehen lässt. Trotz des selbstverhängten und durch Schwippschwagers Stiefzwilling abgesegneten Bücher-Embargos (wir berichteten), welches mich derzeit nötigt fein säuberlich auch die noch so anrüchigsten Druckexemplare durchzulesen, von welchen ich teilweise nicht einmal mehr glauben kann, auf welchen verschlungenen Pfaden sie bloß in meinen unüberschaubaren Besitz gekommen sind, drücke ich mich dieser Tage hartnäckig drum ein Werk anzufangen, das den verheißungsvollen Titel “Tee mit Buddha” trägt. Augenscheinlich würde jener Titel mir diese Woche das seltene Kunststück einer thematischen Punktlandung im Projekt 52 Bücher garantieren. Doch tragischerweise handelt sich dabei leider um ein Genre, welches arges Misstrauen & Vorbehalte in mir weckt.
Die Autorin Michaela Vieser beschreibt darin autobiografisch ihr Jahr in einem japanischen Kloster. Begriffe wie buddhistische Teezeremonie, Geheimnisse des Schwertkampfes sowie Kalligrafie sind “Anna Pfirsich” (“an und für sich” Anmerkung des Dudenklopfers) bei Weitem nichts Negatives. Dennoch wecken Romane über (weibliche) Selbstfindungstrips in andere Kulturen fast schon automatisiert meinen Argwohn. Nicht falsch verstehen. Ich finde es spitze, wenn Menschen den Mut aufbringen, die hektischen und zuweilen vorgefestigten Bahnen unserer Leistungsgesellschaft zu verlassen, neue Lebenswege jeglicher Art in anderen Ländern, Kulturen, Religionen etc. zu begehen. Sicher ist auch das Schreiben darüber ein natürlicher Vorgang, bei dem einerseits der neu angefüllte und übersprudelnde Geist vor Miteilungsbedürfnis bei Unterlassung zu bersten droht, zudem künnen so auch weiteren suchenden Seelen Alternativen aufgezeigt & Ängste vor Veränderungen genommen werden. Ebenda liegt allerdings mein sprichwörtlicher Hase im Pfeffer:
Solch Mitteilungsbedürfnis artet erfahrungsgemäß zu oft in eine Art Missionierungsversuch aus. Würde ich fies sein, wobei mir bekanntermaßen nichts ferner liegt, so ließe ich an dieser Stelle Bezeichnungen fallen, welche bei oberflächlicher Betrachtung nicht nur ein undifferenziertes, sondern gar abfälliges Bild von Ökos, Vegetariern oder sonstigen Moralinstanzen durch meine Wahrnehmung zeichnen könnten. Nichts läge mir jedoch ferner als persönliche Polemik. Daher möchte ich an dieser Stelle lediglich auf ein kürzlich verschlungenes kleines Kunstwerk hinweisen:
Lars Niedereichholz, “der Typ mit Haare auf’m Kopp von Mundstuhl”, nimmt in seinem überaus grotesken Werk “Unknorke” die biologisch korrekten Weltenretter derart nonchalant aufs Korn, dass sich bei mir während der Lektüre ein ebenso blödsinniges wie hartnäckiges Dauergrinsen in die Mundwinkel krallte, welches nicht einmal durch erschreckende Zukunftsvisionen wie “Reihenhaushälften”, “Schwangerschaftfrust” und “Erwachsenwerden” vertreiben ließ. Auch hier scheint Tee oder fair gehandelter Kaffee das Getränk der Feingeister zu sein.
Dass Tee-Genuss oder namentliche Verbundenheit mit derlei Kraut jedoch bei Weitem kein alleiniger Garant zur Hervorkehrung der besseren Seiten im Menschen ist, beweist seit einigen Jahren eindrucksvoll wie eindringlich jene populistische “Protestbewegung” aus den Staaten. Die Anhänger des “Tea-Party Movements” sind zwar in aller Munde, schmecken dabei allerdings nicht jedem (aufgeklärten, freiheitsliebenden, denkenden) Menschen.
2. Bewusstseinserweiternde Getränke
Die zweite Kategorie an Flüssigkeiten, welche beim Thema “Geistige Getränke” ad hoc mein Bewusstsein entert, begleitet die Menschheit schon um einiges länger als der gute alte Tee. Hierunter fallen nach altem (schamanischen) Brauchtum jegliche Flüssigkeiten, die den Geist befreien oder ihn derart vernebeln, dass der Geist sich zumindest befreit anfühlt. Immerhin sieht er nichts Einengendes mehr im diesigen Dunst. Literarische Werke rund um Haschkakao, Absinth, Alkohohl im Allgemeinen und Caipirinha im Besonderen sind mir zwar scheinbar nicht bekannt, jedoch die Tatsache, dass große wie geniale Geister gern einmal darauf zurückgreifen durchaus. Zum feinen Unterschied zwischen verdrogtem Geschwafel und rauschhafter Literatur lasse ich an dieser Stelle jemanden eine dicke Lippe riskieren, der sich eh schon im Besitz einer solchen befindet:
“Natürlich können Drogen die künstlerische Arbeit befeuern, das weiß man von Goethe, Freud, Bukowski und vielen anderen. Aber die haben eben auch die Regel befolgt: Im Rausch schreiben, nüchtern gegenlesen.”
- Udo Lindenberg im Stern Nr. 13/2008 vom 19. März 2008, S. 214 (sagt Wiki)
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